Der Gesandte der Götter (German Edition)
dem Henker überantworten. Aber auch an ihm und seinen hochmütigen Kindern werde ich mich eines Tages noch rächen. Doch ich habe viel Zeit! Zuerst werde ich mich dann einmal in Sicherheit bringen, um mir für sie etwas Besonderes auszudenken. Zunächst aber werde ich dich jetzt über Nacht deinen neuen Zustand genießen lassen. Wie schade, dass du dich so gar nicht mehr rühren kannst!“
Laut lachend verließ Xoras den Raum. Menas blieb zurück. Sein Geist arbeitete zwar klar, aber er war nicht fähig, sich gegen den Befehl des Magiers aufzulehnen.
So saß er die ganze Nacht in dem Sessel, ohne ein Glied bewegen zu können, und das Entsetzen fraß an seiner Seele.
10. Der Zweikampf der Brüder
Während dessen wurde in Soradans Zelt beraten. Chiron war unschlüssig, was zu tun sei.
Obwohl Menas nicht mehr als dreihundert Mann im Schloss haben konnte, würde das völlig ausreichen, um die wehrhafte Burg zu verteidigen, deren Mauern noch nie erstürmt worden waren. Selbst eine lange Belagerung mochte nicht zum Erfolg führen, da niemand von ihnen wusste, ob Xoras nicht in der Lage wäre, die Eingeschlossenen mit allem Nötigen zu versorgen.
Zwar war das Land nun wieder in Chirons Hand, doch er wusste nicht, wie er auch den Thron seiner Väter wieder erringen sollte. Er konnte zwar von einem anderen Schloss aus herrschen, doch wie sollte man Menas weiterhin in der Burg festhalten? Soradans Heer konnte nicht auf ewig die Mauern bewachen. Auch die anderen wussten keinen Rat.
Da sagte Leoris: „Wir könnten durch den Geheimgang ins Schloss eindringen und es so erobern.“
„Nein, das geht nicht!“ erwiderte Loara. „Bedenke, dass Xoras sofort merken würde, wenn jemand ins Schloss kommt. Nur die Medaillons haben uns vor der Entdeckung bewahrt. Doch er wusste sofort, dass Chiron im Schloss war, als dieser durch den Geheimgang hereinkam. Das Eindringen von vielen Soldaten würde er da erst recht bemerken.“
„Wenn nur einer geht und die Tarnkappe benutzt, kann er zu Menas und Xoras vordringen und sie töten, ohne dass der Magier es bemerken wird“, sagte Leoris. „Die Soldaten werden aufgegeben, wenn die beiden Anführer nicht mehr leben.“
Chiron schüttelte den Kopf. „Nein! Das wäre meine Aufgabe, aber ich bin nicht fähig, meinen eigenen Bruder hinterrücks zu meucheln. Ich würde ihn jederzeit dem Henker überantworten oder ihn im Zweikampf töten – doch in heimlich ermorden? Niemals!“
„Chiron hat Recht!“ meinte Soradan. „Auch ich wäre nicht damit einverstanden, dass Chiron durch einen Mord seinen Thron zurückgewinnt.“
„Ich weiß vielleicht eine Lösung“, überlegte Loara. „Wir haben die Tarnkappe und wir haben den Schlüssel, den Rotron mir gab. Er öffnet jedes Tor, wie ihr wisst. Wenn jemand ans Tor schleicht und es öffnet, könnten unsere Soldaten die Burg vielleicht stürmen.“
„Das wäre vielleicht ein Weg, doch ich bin nicht sicher, dass er zum Erfolg führt“, zweifelte Chiron, „Das Tor wird bewacht, und selbst wenn die Wachen niemanden sehen, so bemerken sie doch das Öffnen des Tores und werden es sofort wieder schließen. Der Platz vor dem Tor ist nicht ohne Grund ohne jede Deckung, so dass wir uns dort nicht verbergen können. Sobald unsere Leute auf das Tor zustürmen, ist unsere Absicht offenkundig und man wird uns mit einem Pfeilhagel eindecken. Die meisten von uns würden tot sein, ehe wir eindringen könnten. Das hat sich schon mehr als einmal in der Vergangenheit herausgestellt, wenn Feinde versuchten, die Burg zu erobern.“
„Was sollen wir nur tun?“ fragte Loara unglücklich. „Sollen wir denn wirklich hier scheitern, wo wir so weit gekommen sind, ohne einen Mann zu verlieren? Wir können doch nicht unverrichteter Dinge wieder abziehen und Menas den Sieg überlassen!“
„Wir werden Menas nicht ungeschoren davonkommen lassen!“ sagte Soradan bestimmt. „Dafür hat er zu viel Unheil angerichtet. Wir werden schon noch eine Lösung finden. Doch lass uns nun schlafen gehen. Vielleicht bringt der Morgen neuen Rat.“
Kaum war nächsten Morgen die Sonne aufgegangen, als auf der Burg die Fanfaren erklangen. Erstaunt eilten alle vor die Zelte und sahen zur Burg hinauf. Da öffnete sich das Tor und ein Herold ritt hinaus. Bis auf Rufweite kam er an das Heerlager heran.
„Hört, Feinde von Varannia, die ihr unrechtmäßig unser Land mit Krieg überzieht!“ rief er. „Unser guter
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