Der Gesandte der Götter (German Edition)
wieder verschwunden.
„Was für ein seltsamer Mensch!“ staunte Leoris, während er mit Chiron zu den Pferden eilte.
„Ein Mensch? Ich weiß nicht, Leoris“, meinte Chiron nachdenklich. „Xoras mag ein Mensch sein, auch wenn er übermenschliche Fähigkeiten besitzt. Aber bei Rotron bin ich da nicht sicher. Jedenfalls hat sich meine Angst um Loara durch sein Erscheinen erheblich verringert.“
Sie saßen auf und ritten vor das Lager hinaus, wo Rotron bereits auf einem unruhig tänzelnden Pferd wartete, das dem Rappen Falk wie ein Zwillingsbruder glich.
Kaum hatten die beiden Rotron erreicht, als dieser wie der Wind davonstob und es den beiden Männern überließ, ihm zu folgen.
Als sie an seiner Seite waren, rief er ihnen zu: „Xoras hat Loara zuerst eine Strecke weit mithilfe der Magie fortgebracht, bis ihm die Kräfte ausgingen. Das aber bedeutet, dass er ungefähr einen Tagesritt Vorsprung hat. Dann jedoch wird er sich nicht mehr beeilen, denn er glaubt nicht, dass noch jemand in der Lage ist, ihn zu finden. Zwar könnte ich uns auf der Stelle zu ihm bringen, aber das würde Loara nur gefährden. Er würde sie vermutlich sofort töten, wenn wir plötzlich bei ihm auftauchten. Wir müssen ihn zunächst in Sicherheit wiegen und Loara dann heimlich aus seiner Gewalt befreien. Denn mit ihr hat er ein Druckmittel gegen meine Macht. Und auch ich darf seine Kräfte nicht unterschätzen, denn ein Löwe kann von einem Hund gebissen werden, ehe er ihn mit der Pranke zerdrückt.“
„Wo will Xoras mit Loara hin?“ fragte Chiron.
„Xoras hat – wie fast jeder Magier – einen geheimen Zufluchtsort, an den er sich zu seinen Studien zurückziehen kann. Wäre er allein, könnte er ihn wohl in zwei Tagen erreichen. Doch da er Loara bei sich hat, wird er wohl mindestens fünf Tage brauchen. Er hat ein Haus in einem verschwiegenen Tal, das wohl außer ihm noch nie eines Menschen Fuß betreten hat. Ich habe es entdeckt, als ich begann, mich für seine Umtriebe zu interessieren. Ihr werdet es kennenlernen.“
Chiron und Leoris merkten, dass er nicht mehr weitersprechen wollte, und so flogen sie schweigend in vollem Galopp dahin.
Stundenlang ritten sie, ohne dass Rotron das Tempo verlangsamt hätte. Die beiden Männer begannen sich zu wundern, dass die Pferde keinerlei Anzeichen von Erschöpfung zeigten. Erst als die Sonne schon dem Horizont zu sank, merkte man bei den Tieren die ersten Ermüdungserscheinungen und Rotron ließ zu einer kurzen Rast anhalten. Zwar hatten sich weder Chiron noch Leoris etwas anmerken lassen, doch der Gewaltritt hatte auch an ihren Kräften gezerrt und sie waren froh, für eine Weile aus dem Sattel zu kommen. Während Rotron an seinen Satteltaschen hantierte, setzten sich die beiden im Gras nieder.
Mit einem Seufzer streckt Leoris sich lang aus. „Ich dachte immer, ich sei ein guter Reiter“, meinte er. „Aber anscheinend muss ich mich eines Besseren belehren lassen.“
Rotron wandte sich zu ihm um. Auf seinen bärtigen Lippen stand ein kleines Lächeln.
„Ihr seid beide gute Reiter“, sagte er. „Doch dass ihr jetzt müde seid, liegt daran, dass ihr nie derartige Pferde in voller Geschwindigkeit geritten habt. Welches eurer früheren Tiere hätte wohl solange galoppieren können, ohne unter euch zusammenzubrechen? Die Pferde, die ihr nun reitet, sind von besonderer Art, obwohl man es ihnen nicht sofort ansieht. Loara hat einen kleinen Vorgeschmack von der Schnelligkeit des Rappen bekommen, den du jetzt reitest, Leoris. Doch auch sie hat ihn nicht voll ausgeritten. Hätte sie es versucht, sie wäre eher ermüdet als das Tier. Ihr werdet sehen, dass die Pferde in wenigen Minuten wieder so frisch sind, als hätten sie den ganzen Tag auf der Weide gestanden. Wenn wir hier etwas länger rasten, dann wegen euch. Doch auch ihr werdet bald wieder munter sein.“ Er reichte Chiron eine Lederflasche, die er aus seiner Satteltasche genommen hatte. „Trinkt einen Schluck hiervon. Es wird euch neue Kraft geben, denn wir müssen heute noch ein gutes Stück vorwärtskommen. Ich möchte Xoras nämlich nicht einholen, sondern vor ihm in seinem Schlupfwinkel ankommen. Das gibt uns vielleicht eher die Möglichkeit, Loara aus seinen Klauen zu befreien, ohne dass er ihr noch im letzten Augenblick schaden kann. Ich will jedes Risiko vermeiden.“
Chiron setzte die Flasche an den Mund und trank einige Schlucke. Er hätte nicht sagen können, ob die
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