Der Gesandte der Götter (German Edition)
mir den Verstand.“
„Schon gut!“ antwortete Rotron. „Doch solltest du endlich lernen, besonnener zu sein. Denk stets daran, wie viel Leid dir und anderen deine Unbeherrschtheit schon eingebracht hat.“
Chiron schwieg, und auch Leoris wagte nicht mehr, etwas zu sagen. Im Herzen jedoch waren beide froh, dass Loara nun wusste, dass sie nicht verlassen war.
Einige Zeit später wurde das Gelände wieder ebener und die Pferde eilten im Galopp dahin. Rotrons wunderbare Verpflegung hielt Mensch und Tier bei Kräften, so dass sie gegen Abend den Bogen vollendet hatten und nun – wie Rotron erklärte – in gerader Linie auf Xoras‘ Versteck zuhielten. Als sie am Abend lagerten, meinte Rotron:
„Wie ihr seht, erreichen wir jetzt bald die ersten Ausläufer des Torion und werden daher langsamer vorankommen. Trotzdem dürften wir unser Ziel gegen Mittag vor uns sehen. Xoras wird jedoch frühestens gegen Abend in seiner Behausung ankommen, obwohl er den direkten Weg genommen hat. Seine Pferde können bei den heißen Tagestemperaturen keine schnelle Gangart durchhalten. So bleibt uns Zeit genug, einen Plan für Loaras Rettung zu schmieden. Noch weiß ich nicht genau, wie wir vorgehen müssen. Dazu muss ich erst wissen, mit welchen Zaubern dieser Abschaum sein Refugium vor ungebetenen Gästen geschützt hat. Xoras ist sehr misstrauisch und hat bestimmt selbst in dieser Einöde Vorkehrungen gegen eine Überraschung getroffen. Aber lasst euch dadurch nicht ermutigen“, lächelte er. „Ich kenne auch ein paar kleine Tricks.“
Das Vertrauen im Blick der beiden Männer zeigte ihm, dass sie diese Tatsache nicht länger bezweifelten.
Doch obwohl Chiron der Macht Rotrons voll vertraute, wurde er in dieser Nacht von den schrecklichsten Albträumen gequält. Widerliche Dämonen umtanzten Loara, die hilfeflehend die Hände nach ihm ausstreckte. Aber obwohl er wie ein Wahnsinniger kämpfte, wurde er von den entsetzlichen Kreaturen niedergerungen, während andere, mit dem höhnisch lachenden Xoras an der Spitze, die schreiende Loara mit sich fortrissen. Der durchdringende Schrei Loaras gellte so laut in Chirons Ohren, dass er auffuhr und ihren Namen rief. Sofort waren Rotron und Leoris wach.
„Was ist los?“ fragte Leoris erschrocken.
Das schwache Licht der Morgendämmerung zeigte ihm Chirons angstverzerrtes Gesicht, von dem der Schweiß in großen Tropfen abperlte. Rotron warf nur einen Blick auf Chiron und rief:
„Loara ist in Gefahr! Nicht wahr, sie rief nach dir?“
„Ja!“ stöhnte Chiron. „Ich träumte, dass mit ihr furchtbare Dinge geschahen, und ihr Schrei hat mich geweckt. Ist sie wirklich in Gefahr, Rotron? So helft ihr doch!“
Bei diesen Worten krallte sich seine Hand in Rotrons Arm und er zerrte den Magier hin und her. Rotron legte nur seine Fingerspitzen auf Chirons Hand, und schon sank dessen Arm kraftlos herab.
„Verhaltet euch um der Götter willen einen Augenblick ruhig, damit ich erkunden kann, was geschehen ist!“ Rotrons Stimme hatte einen so drohenden Klang angenommen, dass Chiron und Leoris zusammenfuhren und erbleichten. Voll Furcht blickten sie auf den Magier, der ruhig mit geschlossenen Augen dasaß, den Kopf in den Nacken gelegt.
Doch bereits nach kurzer Zeit öffneten sich seine Augen wieder und er sah die beiden angstvoll wartenden Männer an.
„Es ist leider eingetreten, was ich befürchtet habe“, sagte er besorgt. „Loara hat sich nicht gut genug verstellen können, und nun hat Xoras Verdacht geschöpft. Er versuchte gerade, aus ihr den Grund ihres veränderten Verhaltens herauszuholen, indem er ihren durch seinen Bann gefangenen Geist durch seine Dämonen martern ließ. Doch sie kann ihm nichts von mir erzählen, dafür habe ich gesorgt! Wenn er nicht so weit geht zu riskieren, dass er ihren Verstand zerstört, wird er ihren Gedanken keinen Hinweis auf mich entnehmen können. Und dieses Risiko wird er nicht eingehen, da er sich sonst um sein Vergnügen bringt. Er will sie heil in sein Spinnennetz bringen. Doch immerhin weiß er jetzt, dass er verfolgt wird und dass außer euch beiden noch ein Dritter auf seiner Spur ist. Doch er denkt, dass sich die Verfolger noch hinter ihm befinden. Arme Loara! Er wird ihr keine Schonung mehr gönnen, denn nun wird er sich beeilen, sein Versteck zu erreichen, um seine Feinde gebührend empfangen zu können. Kommt, wir müssen uns sputen, damit uns genügend Zeit zur Ausführung unseres Plans
Weitere Kostenlose Bücher