Der Gesandte der Götter (German Edition)
sich nicht an Xoras zu verraten. Doch da keine Hilfe von Rotron kam, sank ihr Mut immer mehr und sie begann zu befürchten, dass sie verloren sei.
So lag sie eng zusammengekauert unter der dünnen Decke und das Zittern ihrer Glieder rührte nicht nur von der Kälte der Nacht her.
Da hörte sie neben sich ein leises Geräusch. Sie schaute zu Xoras hinüber, doch dieser rührte sich nicht. Wieder hörte sie ein feines Scharren und erblickte neben sich eine winzige Maus, die sich auf ihren Hinterpfoten aufgerichtet hatte und sie mit ihren blanken Knopfaugen anblickte.
„Ach, du kleines Wesen!“ dachte Loara. „Ich wünschte, ich wäre frei wie du, auch wenn ich dafür dein karges Leben führen müsste.“
„Hab keine Angst, Loara!“ drang da auf einmal eine Stimme in ihr Hirn. „Bald wirst auch du wieder frei sein! Chiron hat mich zu Hilfe gerufen und wir sind nicht weit von dir entfernt. Doch so leid es mir tut, du wirst den Weg bis zu Xoras‘ Schlupfwinkel noch durchstehen müssen, denn erst dort können wir dich retten, ohne dass der Magier dir etwas antun kann.“
„Rotron!“ hauchte Loara voll Freude.
„Still!“ klang da die Stimme in Ihrem Kopf. „Nenne um der Götter willen nie meinen Namen! Lass dir nicht anmerken, dass du von meiner Nähe weißt. Wenn Xoras etwas bemerkt, wird er dich töten, und ich kann dir nicht einmal beistehen. Ich bin nur hier, damit du weißt, dass du nicht verlassen bist. Schlaf nun, Loara! Bald wirst du Chiron wieder in die Arme schließen können. Aber nochmals: Sei auf der Hut und verrate dich nicht durch ein frohes Gesicht!“
„Habt Dank!“ dachte Loara, da sie wusste, dass Rotron ihre Gedanken aufnahm. „Und seid unbesorgt, ich werde Euch und mich nicht verraten!“
Dann war die Maus auf einmal wie vom Erdboden verschluckt. Mit hoffnungsvollem Herzen zog das Mädchen die Decke fester um sich und war bald darauf eingeschlafen.
*****
Als der Rand der Sonne am Horizont erschien, wurden die beiden Männer von Rotron geweckt. Die Pferde standen bereits gesattelt vor dem Zelt, als Chiron und Leoris heraustraten. Auch heute ließ ihnen der Magier keine Zeit zu frühstücken, und so saßen sie bereits wenige Minuten später wieder auf den Pferden.
Rotron wich etwas später von ihrer bisherigen Richtung ab. Der Bogen, den sie nun schlugen, würde sie erst viele Meilen weiter wieder auf ihren alten Kurs bringen.
Trotz des schwierigen Geländes hatten sie ein rasches Tempo angeschlagen, so dass der Ritt größte Aufmerksamkeit erforderte. Gegen Mittag kamen sie in ein Gebiet, das von großen Felsbrocken und Geröll bedeckt war. Von nun an kamen sie nur noch im Schritttempo weiter.
Den ganzen Vormittag waren sie schweigend geritten. Schon zur frühen Morgenstunde hatte die Sonne unbarmherzig auf sie niedergebrannt. Dies und der anstrengende Ritt hatte jedes Gespräch versiegen lassen. Doch nun brach Rotron das Schweigen:
„Ich sehe euch an, dass die Sorge um Loara euch trotz allem zu schaffen macht. Aber fürchtet nichts! Es geht ihr den Umständen entsprechend gut. In der vergangenen Nacht habe ich mich zu ihr begeben und ihr von unserer Anwesenheit berichtet.“
„Ihr wart bei ihr? Warum habt Ihr sie nicht gerettet, wenn Ihr unbemerkt an Xoras herangekommen seid?“ stieß Chiron heftig hervor.
Auch Leoris blickte verständnislos und mit kaum verhohlenem Missmut auf Rotron.
„Ihr Narren!“ antwortete Rotron ärgerlich. „Schnell seid ihr mit dem Urteil bei der Hand, ohne die Umstände zu kennen! Ich bin nicht so töricht wie ihr, Xoras zu unterschätzen. Ich wagte viel, um Loara zumindest Hoffnung zu bringen. Glaubt ihr denn, Xoras habe sein Nachtlager ungeschützt gelassen? Ein starker Bann umgab den Ort. Hätte ich ihn zerstören wollen, wäre es um das Mädchen geschehen gewesen. So konnte ich ihr nur eine Botschaft schicken. Ein kleines Nachttier, das ich als Träger meiner Gedanken aussandte und das ich lenkte, schlüpfte unbehelligt durch Xoras‘ Zauber – den Göttern sei Dank! Lange habe ich mit mir gekämpft, ob ich das wagen sollte. Doch Loara tat mir Leid in ihrer Hoffnungslosigkeit. Darum ging ich das Risiko ein. Und ein Risiko ist es immer noch, denn ich weiß nicht, ob Loara es schafft, sich zu verstellen. Doch nun weiß sie wenigstens, dass die Rettung nahe ist, und wird sich nicht mehr so sehr fürchten.“
„Verzeiht!“ murmelte Chiron. „Aber die Sorge um Loara raubt
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