Der Gesandte der Götter (German Edition)
bleibt!“
In Windeseile sattelten die beiden verstörten Männer die Pferde. Und dann stoben sie auch schon davon, dass die Hufeisen auf dem steinigen Boden Funken sprühten.
Vor ihnen erhoben sich bald die ersten Felsrücken, während in blauen Dunst gehüllt die schneebedeckten Gipfel des Torion nun zum Greifen nah erschienen. Rotron führte sie durch ein Gewirr von Tälern und Schluchten, über gefährliche Grate und an steilen Abgründen vorbei, bis sie auf einmal am Ende einer Talkerbe an eine hohe, glatte Felswand kamen, die ihnen den Weg versperrte. Dort hielt Rotron an und sprang vom Pferd.
„Warum halten wir hier?“ fragte Leoris sich umblickend. „Ich denke, wir sollten lieber sofort umkehren. Hier kommen wir nicht weiter, und es wird uns genug Zeit kosten, bis zum nächsten Seitental zurückzureiten.“
Rotron schüttelte mit missbilligendem Lächeln den Kopf. „Leoris, wann wirst du lernen, das Denken denen zu überlassen, die es besser können als du? Wir sind am Ziel! Hinter dieser Felswand liegt das Tal, in dem Xoras haust.“
„Hinter diesem Felsen?“ Chiron stöhnte. „Wie sollen wir dort hinüber kommen? Die Wand ist viel zu steil und zu glatt, als dass man sie ersteigen könnte. Oder gibt es einen Weg, wie man sie umgehen kann?“
Rotron seufzte. „Ihr scheint immer wieder zu vergessen, dass ihr es mit Magiern zu tun habt! Ihr verschließt eure Türen mit Schlössern - was liegt näher, als dass ein Magier dafür einen Zauber benutzt? Ich kann den Durchgang zum Tal sehr wohl erkennen, obwohl er euren Augen verborgen ist. Doch bitte ich euch nun um ein wenig Ruhe. Ich muss den Zauber lösen und anschließend wieder erneuern, ohne dass Xoras merkt, dass jemand das Tor durchschritten hat.“
Dann murmelte er ein paar Worte, und plötzlich sahen Chiron und Leoris, wie sich ein Spalt in der Felswand auftat. Sie folgten Rotron, der mit seinem Pferd am Zügel in den engen Spalt hineinschritt. Rechts und links ragten steile Felswände nach oben, so dass der Himmel über ihnen nur als schmaler Streifen zu erkennen war. Die sich drohend auftürmenden Felsmassen schienen auf sie herabstürzen zu wollen, und so fühlten sich die beiden Männer sichtlich erleichtert, als sich der Spalt nun in einen etwas weiteren Felskessel öffnete. Doch auch das Tal war von hohen Felsen umgeben, die nicht dazu angetan waren, dieser Erleichterung Raum zu geben. Das bedrückende Gefühl des Eingesperrtseins blieb und die beiden blickten sich unbehaglich um. Nirgendwo in dem Felskessel gab es auch nur ein grünes Blatt oder einen Halm, an dem das Auge sich hätte erfreuen können. Im Hintergrund stand ein turmartiges Gebäude. Die klobigen, schmucklosen Mauern des hässlichen Bauwerks bestanden aus dem dunklen Gestein, das in zahllosen Geröllbrocken von den Rändern des Kessels hinabgestürzt war und den ganzen Boden des Tals bedeckte. Wegen der umgebenden hohen Felswände fiel kaum Licht in die Schlucht und die tiefen Schatten ließen das Gemäuer finster und unheilvoll aussehen.
„Das ist Xoras‘ Palast“, sagte Rotron. „Seht, er ist ein Spiegel seiner Seele!“
„Arme Loara!“ murmelte Chiron. „Wie wird der Anblick dieses Kerkers sie erschrecken!“
Doch Rotron hatte sich bereits wieder auf sein Ross geschwungen und ritt auf das Gebäude zu. Schnell folgten ihm die beiden Männer. Als sie vor dem Turm anlangten, hielt Rotron sie zurück.
„Steigt ab! Geht aber nicht näher heran, denn erst muss ich meine Vorbereitungen treffen.“
Chiron und Leoris glitten aus dem Sattel. Zu ihrer Überraschung nahm Rotron ihnen die Zügel aus der Hand und führte die Pferde auf die Seite. Sanft strich er den Tieren über die Nüstern – und die Pferde waren verschwunden!
„So!“ meinte der Magier befriedigt. „Ein Zeichen unserer Anwesenheit wären wir los. Doch nun gilt es, unsere Aura aus dem Tal zu vertreiben. Eure Amulette verbergen eure Anwesenheit nun nicht mehr vor Xoras, da er sie durch das von Loara kennt. Xoras würde sofort spüren, dass ihr hier seid, wenn er das Tal betritt. Aber dagegen kann ich etwas unternehmen.“
Aus einer seiner Taschen zog er eine kleine Dose, die mit wunderschönen Filigranmustern verziert war. Er öffnete den Deckel und schüttete etwas von dem Inhalt auf seine Handfläche. Chiron und Leoris sahen, dass es ein feines braunes Pulver war. Dann hielt der Magier die Handfläche hoch und blies das Pulver herunter. Ein
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