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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Gedanken. Es wurde Zeit, aufzubrechen. Er schob sich noch ein Minzeblatt in den Mund und ging zu dem von Hufen zerstampften Platz zurück.
    Die Männer hatten Salz, Brote, einen Topf mit Schmalz und zwei fette Gänse zusammengetragen. Al-Munahid begutachtete die Funde und nickte zufrieden. »Es ist spät«, sagte er. »Suchen wir einen Platz zum Übernachten.«
    »Hier?«, fragte Uthman, der einen brüchigen Käfig mit den Gänsen hielt. In seinen Augen schimmerte Furcht.
    »Nein, Dummkopf«, schnarrte al-Munahid und schwang sich in den Sattel.
    Allen außer al-Munahid stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, als sie das Dorf hinter sich ließen. Ibn-Marzuq verachtete die Männer für ihren Aberglauben. Eine verstümmelte Leiche genügte, und sie sahen überall rachsüchtige Geister und Dämonen. Dabei waren sie schon auf unzähligen Schlachtfeldern gewesen und hatten selbst dutzend- oder hundertfach den Tod gebracht. Einfach lächerlich.
    Doch auch er war froh, als die rußgeschwärzten Ruinen endlich außer Sichtweite waren und der Verwesungsgestank dem Duft des leuchtenden Feuermohns an den Hängen wich. Die Hügel waren voller Höhlen, sodass sie nicht lange nach einem geeigneten Lagerplatz suchen mussten. Bei der Grotte, die sie auswählten, handelte es sich um eine schmale, hohe Spalte, die einige Schritte bergauf führte und sich dann zu einer runden, geräumigen Kammer mit sandbedecktem Boden weitete. Durch einen natürlichen Kamin in der Decke konnte der Rauch ihres Feuers abziehen, über dem die Gänse brieten.
    Nach dem Essen suchte sich ibn-Marzuq eine Ecke, in die er sich zurückziehen konnte. Er schlug die Beine unter, rollte
eine Schriftrolle auf seinem Oberschenkel aus und notierte im Licht seines Kerzenstummels die Erlebnisse des Tages. Es war dreißig Jahre her, seit er zuletzt Tagebuch geführt hatte, und er wusste selbst nicht, warum er es jetzt wieder tat. Vermutlich, weil es besser war als dazusitzen, stumm zu brüten und langsam, aber sicher in Verzweiflung zu versinken. Schreiben hatte ihm seit jeher geholfen, seine Gedanken zu ordnen und Niedergeschlagenheit abzuschütteln. Und besonders Letzteres hatte er dringend nötig.
    Seit dem Vorfall auf der Galeere hatte sich das Verhalten von al-Munahids Schakalen ihm gegenüber geändert. Es gab Anzeichen, dass sie wussten, was geschehen war: ein unfreundliches Wort hier, eine verächtliche Geste da. Meist mieden sie ihn einfach, doch die Frechheiten häuften sich. Noch in Konstantinopel war er sich sicher gewesen, dass sie ihm nichts angetan hätten, selbst wenn al-Munahid es befohlen hätte. Doch jetzt war seine Autorität endgültig dahin. Und damit auch seine Sicherheit.
    Al-Munahid ahnte, dass ibn-Marzuq ihm etwas über das Zepter verschwieg. Das war der einzige Grund, warum der Söldner ihn am Leben ließ. Doch das spielte keine Rolle mehr, wenn er das Zepter erst in den Händen hielt.
    Und das sollte in spätestens drei Tagen der Fall sein.
    Harun ibn-Marzuq hatte mehrere Pläne geschmiedet, die sich gegenseitig an Unzulänglichkeiten überboten. Er hatte sogar darüber nachgedacht, al-Munahid im Schlaf zu ermorden und den Befehl über die Söldner an sich zu reißen. Aber davon abgesehen, dass sich die Männer von ihm gewiss nicht sagen ließen, was sie zu tun hatten - er war dazu nicht fähig. Er konnte einen wehrlosen Mann nicht einfach töten. Selbst dann nicht, wenn es sich um Kadar al-Munahid handelte.
    Er wägte seine Pläne ab und entschloss sich schließlich zu jenem, den er vor allen anderen gefasst hatte: dem naheliegendsten, der ihm am wenigsten abverlangte. Der so unvernünftig
war, dass er einfach scheitern musste. Aber er hatte keine andere Wahl.
    Als das Feuer niedergebrannt war und sich die Männer auf ihren Decken ausstreckten, blieb er in seiner Ecke und gab vor, im Sitzen eingenickt zu sein. In der Dunkelheit konnte niemand sehen, dass er die Augen noch offen hatte. Najib übernahm die erste Wache draußen bei den Pferden.
    Zu gefährlich, Najib war zu wachsam.
    Ibn-Marzuq wartete. Es fiel ihm nicht schwer, wach zu bleiben; die Aufregung vertrieb jeden Gedanken an Schlaf. Nach einer Stunde kam der junge Krieger mit dem zarten, fast mädchenhaften Gesicht herein und weckte Abdul-Jabar für die zweite Wache.
    Sehr gut, Abdul-Jabar war seine erste Wahl.
    Als ibn-Marzuq sicher war, dass Najib schlief, nahm er seinen Beutel in die Hand und schlich zum Ausgang. Die Überreste des Feuers glühten schwach, und das Atmen

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