Der Gesandte des Papstes
Dämmerlicht wich, waren die zerklüfteten
Hänge verschwunden. Ein weites Tal breitete sich vor ibn-Marzuq aus. Er war neben einem Bach geritten, der vom Hochgebirge kam und sich zwischen den Felsen seinen Weg ins Hügelland bahnte. Einen Steinwurf vor ihm drängten sich Schafe am Wasser.
Das Fell seines Pferds glänzte. Seine Kleidung klebte am Körper. Er hatte Durst.
Er brachte das Tier zum Stehen und stieg ab. Als seine Füße den Boden berührten, glaubte er, seine Beine würden nachgeben, so taub waren sie. Er taumelte zum Bach und ließ sich auf die Knie fallen. Das Wasser umspülte moosige Steine und bildete am Rand eine glatte Fläche, in der er sein Antlitz sah, klar und deutlich.
Ibn-Marzuq würgte und erbrach sich in heftigen Krämpfen.
Eine Weile saß er reglos da. Er schloss die Augen und atmete die Morgenluft ein, bis die Übelkeit verging. Dann spritzte er sich Wasser ins Gesicht und trank.
Langsam erhob er sich und blickte zu den Bergen, die hinter ihm lagen, zum fernen Gipfel des Ararat, der alles überragte. Kalt lag die Luft auf seinem feuchten Gesicht.
Er hatte es geschafft. Er war frei.
Harun ibn-Marzuq verspürte keinen Triumph, nur dumpfe Erleichterung, die von Schuldgefühlen überlagert wurde. Hätte er vermeiden können, Abdul-Jabar zu töten? Warum war dieser Narr nicht einfach liegen geblieben?
Er war ein Söldner. Ihn zu töten, war das Vernünftigste, was du tun konntest. Wie viele Leben hat er auf dem Gewissen? Zwanzig? Fünfzig? Ohne ihn ist die Welt ein besserer Ort.
Es half … ein wenig.
Er würde sich dieser moralischen Frage später stellen; jetzt gab es drängendere Sorgen. Beispielsweise hatte er vergessen, Vorräte mitzunehmen.
Zwischen den Steinen am Ufer des Wasserlaufs fand er etwas Kresse. Es war viel zu wenig, ihn zu ernähren, aber immerhin
etwas, auf dem er herumkauen konnte. Momentan bekam er keinen Bissen herunter, also stopfte er die Büschel in seine Manteltaschen. Er füllte auch seinen Wasserschlauch und ging zu seinem Pferd, das die Blätter eines niedrigen Buschs fraß.
Zwischenzeitlich war es heller geworden. Als er aufstieg, glaubte er in der Ferne die Türme einer Stadt zu sehen. Das musste Yerevan sein, wenn er Glück hatte.
Das Pferd fiel in einen zügigen Kanter. Ein höheres Tempo wollte er sich und dem Tier nicht zumuten, doch auch ein langsameres kam nicht in Frage, obwohl sein Rücken und sein Gesäß danach schrien. Al-Munahid hatte gewiss schon die Verfolgung aufgenommen, und ibn-Marzuq wollte nicht Gefahr laufen, seinen Vorsprung vor den Söldnern zu verlieren.
Da er sich hauptsächlich mit den Einzelheiten der Flucht beschäftigt hatte, war sein Plan für die Zeit danach bestenfalls verschwommen. Er musste mit den Mongolen in Verbindung treten. Zwar waren sie Feinde an-Nasirs, doch seit ihrer Niederlage bei Schaqhab im Frühjahr bedrohten sie das Sultanat nicht länger. Wenn es ihm gelang, ein Bündnis mit Bilarghu auszuhandeln, dem Ilkhan der armenischen Mongolen, wäre es ein Leichtes, al-Munahid zu vernichten. Damit überschritt er seine Befugnisse weit, doch das war immer noch besser, als dem Sultan erklären zu müssen, dass das Zepter Suleymans einem abtrünnigen Söldner in die Hände gefallen war.
Alles, was er dazu brauchte, war der Ring an seiner Rechten. Der silberne Siegelring mit der Gravur des Halbmondes, der ihn als einflussreichen Mann am Hof von Kairo auswies. Er konnte nur hoffen, dass die Mongolen die Zeichen der Macht des Sultans kannten. Ohne seinen Ring war er nichts in diesem Land.
Nach einer halben Stunde verschwand die Aussicht auf die Stadt hinter den höher werdenden Hügeln. Ibn-Marzuq ritt an einem Fluss entlang, der sich reißend und schäumend durch die Täler schlängelte. Befestigte Dörfer krönten die Hügelkuppen, Schafe und Ziegen weideten an den grünen Hängen.
Als der Weg dem Flussverlauf folgend eine Biegung beschrieb, bemerkte er hinter sich Reiter. Sie waren noch weit weg, über eine Meile, doch ibn-Marzuq wusste, auch ohne Einzelheiten zu erkennen, um wen es sich handelte.
Die Söldner hatten ihn gefunden!
Er trieb sein Pferd an, sodass es in Galopp fiel.
Wie hatte er nur glauben können, so einfach davonzukommen? Die Söldner waren an Lager in der Wildnis gewöhnt. Wenn der Wachposten sie nicht nach einer Stunde weckte, schliefen sie nicht bis zum Morgen durch, sondern wachten wenig später auf und sahen nach dem Rechten. Wahrscheinlich hatten sie schon eine halbe Stunde nach seiner
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