Der Gesandte des Papstes
sie der stämmige Bauer forschend an und nickte dann. Mit seinen Narben auf der Glatze und den muskulösen Armen sah er mehr wie ein Krieger aus, und es hätte Raoul nicht überrascht zu erfahren, dass er mit den Aufständischen zusammenarbeitete.
»Er gibt uns sein Boot«, sagte Andranik.
Raoul lächelte zum Dank. Jada holte eine Goldmünze hervor, doch der Mann brummte etwas und schüttelte energisch den Kopf.
»Es ist ihm Lohn genug, uns zu helfen«, erklärte der Bergführer. »Ihn zu bezahlen würde ihn beleidigen.«
Raoul fragte sich, was Andranik dem Bauern erzählt hatte. Jada steckte die Münze wieder ein, und sie gingen zu einem windschiefen Schuppen an der Rückseite des Hauses. Davor lag ein Ruderboot mit dem Rumpf nach oben, damit es bei Regen nicht voll lief. Die beiden älteren Söhne des Bauern, zwei junge Männer von etwa zwanzig Jahren mit der Statur ihres Vaters, drehten das Boot um, warfen die Ruder hinein und hoben es hoch. Während Raoul, Matteo und Jada den Armeniern folgten, brummte der Bauer etwas.
»Er fragt, ob ihr rudern könnt«, übersetzte Andranik.
»Ich kann rudern«, sagte Raoul.
Von der Hütte führte ein mit Steinplatten befestigter Pfad am Acker vorbei, durch eine Wiese zum Ufer. Die Schritte der Bauernsöhne pochten dumpf auf den Bohlen eines einfachen
Stegs, wo sie das Boot zu Wasser ließen. Raoul hielt nach den Söldnern Ausschau, konnte sie aber aufgrund der Entfernung und der Bäume und Büsche am Ufer nicht entdecken. Das Eiland mit der Klosterruine war, da die Küstenlinie in einer Krümmung verlief, etwa so weit weg wie von al-Munahids Standort. Raoul schätzte, dass ihnen noch eine knappe Stunde blieb, bis die Söldner ihr Floß fertig gestellt hatten. Währenddessen konnte er die Insel mühelos erreichen. Wie lange er brauchte, um das Zepter zu finden, konnte er nicht wissen, aber momentan war seine größte Sorge eine andere.
»Spätestens wenn wir auf der Insel an Land gehen, sieht uns al-Munahid«, sagte er. »Er wird warten, bis wir das Zepter haben, und uns am Festland abfangen.«
Andranik und Jada blickten über den See. Vermutlich machten sie sich ähnliche Gedanken. Im Südteil des Sees waren viele Fischerboote unterwegs gewesen; dort wäre Raoul nicht aufgefallen. Hier jedoch waren so gut wie keine Boote zu sehen, lediglich zwei größere Schiffe weit draußen, mehrere Meilen von der Küste entfernt. Selbst wenn Raoul sich der Insel von der dem Festland abgewandten Seite annäherte, war die Gefahr groß, dass einer der Söldner ihn entdeckte.
Andranik wandte sich an den Bauern, und die beiden Männer unterhielten sich in ihrer Sprache. Schließlich nickte der Bauer grimmig. Andranik sah Raoul an. »Oskanjan und ich legen al-Munahid einen Hinterhalt. Das verschafft dir die Zeit, an Land zu gehen.«
Raoul war überrascht. »Das Angebot kann ich nicht annehmen«, sagte er. »Wir bezahlen dich nicht dafür, dass du für uns kämpfst.«
Ein seltsames Lächeln umspielte Andraniks Lippen. »Al-Munahid hat den Mongolen geholfen. Da ist es nur gerecht, dass wir euch helfen.«
»Und Oskanjan? Er soll sich nicht für uns in Gefahr begeben.«
Oskanjan grinste, als er seinen Namen hörte. Andranik sagte: »Er hat einen Onkel in Yeramos. Als er hörte, dass die Mongolen dort eingefallen sind, hat er Rache geschworen an denen, die dafür verantwortlich sind.«
Raoul erinnerte sich, dass Yeramos der Name der belagerten Stadt war. Er nickte. »Also gut. Aber erkläre ihm, mit wem er es zu tun hat. Er soll vorsichtig sein.«
Wieder grinste Andranik. »Mach dir keine Sorgen um Oskanjan. Sein Schädel hat schon so manchen Axthieb überstanden.«
Daran zweifelte Raoul nicht. »Matteo, du bleibst bei ihnen«, sagte er.
»Was?«, rief Matteo. »Auf keinen Fall! Ich komme mit dir zum Kloster.«
»Nein, Matteo. Ich kann das Zepter allein holen. Aber Andranik braucht für den Hinterhalt jeden Mann.«
»Dann lass mich das Zepter holen«, schlug Matteo vor. »Du kannst besser kämpfen als ich.«
Raoul hatte diesen Vorschlag erwartet; es war ihm nicht entgangen, dass die Nähe der Söldner Matteo nervös zu machen begann … oder aber der Toskaner hatte ganz andere Absichten, die nichts mit seiner Furcht vor al-Munahid zu tun hatten. Er erwiderte nichts, aber Matteo verstand auch so, was in ihm vorging.
»Du traust mir nicht«, sagte er gedehnt.
»Wir haben keine Zeit, darüber zu streiten. Tu, was ich dir sage.« Raoul ließ seinen zornigen Gefährten stehen und
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