Der Gesandte des Papstes
stieg die niedrige Böschung zum Steg hinunter, wo Jada ihn erwartete. Gedankenverloren blickte sie zum Kloster. Er fragte sich, ob sie das Gespräch mitbekommen hatte.
Sie wandte sich zu ihm um. Der nachtschwarze Zopf lag auf ihrer Schulter und fiel ihr auf die Brust. Ihre Augen waren von einem seltsamen Glühen erfüllt. »Ich fahre mit dir«, sagte sie.
»Und das Wasser?«, fragte er verblüfft und machte eine Geste, die den gesamten See einschloss.
»Es wird schon nichts geschehen.«
Er sah sie an und wartete vergeblich auf eine Erklärung. Schließlich stieg er ins Boot, stellte die Beine weit auseinander, um dem Schaukeln Herr zu werden, und reichte ihr seine rechte Hand. Sie ergriff sie, setzte einen Fuß in das Boot, zog hastig den anderen nach und ließ sich auf der Bank nieder. Furcht huschte über ihr Gesicht, dann war ihre Miene wieder beherrscht.
»Viel Glück!«, rief Andranik, als Oskanjans Söhne das Boot mit langen Stangen vom Steg wegstießen. Raoul legte die Ruder ein und zog sie gleichmäßig durch. Die Armenier gingen zum Haus zurück. Matteo warf Raoul einen langen Blick zu, ehe er den Männern folgte.
Es war mehr als ein Jahr her, dass er das letzte Mal in einem Ruderboot gesessen hatte, aber als sie einen Steinwurf vom Ufer entfernt waren, hatte er einen gleichmäßigen Takt gefunden. Zügig bewegten sie sich zur Mitte des Sees, unterstützt vom Wind, der von den Hügeln kam. Falls Jada Furcht vor dem Wasser verspürte, so zeigte sie es nicht. Ihr Gesicht war unbewegt, und sie schwieg.
Seit Raoul wusste, dass das Zepter zum Greifen nah war, erfüllte ihn eine unerträgliche Rastlosigkeit. Durch die gleichmäßige Bewegung von Armen und Rücken kam er zur Ruhe. Die Anstrengung des Ruderns ließ ihn mehrmals husten, doch dieses Mal verspürte er dabei keine Abscheu vor sich selbst. Nur noch bis zur Insel, dachte er, dann ist es vorbei. Endlich vorbei.
Nach einer Viertelmeile konnte er die Söldner sehen. Sie hatten drei oder vier Ulmen gefällt, die Äste entfernt, die Stämme zerteilt und mehrere ähnlich dicke Stücke aneinandergelegt, sodass sie eine Fläche ergaben. Mit Seilen banden sie die Stämme zusammen und festigten sie mit Querverstrebungen. Bald war das Floß fertig.
Viel schneller konnte Raoul nicht mehr rudern. Seine Muskeln zeichneten sich unter dem Wams ab, als er den Schlag dennoch erhöhte.
Kadar überließ den Floßbau Rafiq und Najib, die am Nil unter Fischern aufgewachsen waren und am meisten von solchen Dingen verstanden. Er hatte sich auf einen von allen Ästen befreiten Stamm einer Ulme gesetzt und dachte darüber nach, was mit ibn-Marzuq geschehen sollte. Er hatte immer noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Einerseits widerstrebte es ihm, ihn zu töten, denn auf eine seltsame Weise mochte er den Gelehrten. Ibn-Marzuq war vom Leben am Hof verweichlicht und blickte mit Verachtung auf alle herab, die nicht seine Bildung besaßen. Aber er beklagte sich nie, obwohl er allen Grund dazu hatte. Das verriet eine Härte, die man ihm nicht ansah. Außerdem war sein Verstand von einer außergewöhnlichen Schärfe. Es war der Verstand eines Hofbeamten und Dichters, dennoch wünschte Kadar manchmal, auch der ein oder andere seiner Männer wäre mit solchen Geistesgaben gesegnet.
Andererseits blieb ihm keine andere Wahl, als ibn-Marzuq zu töten. Er konnte nicht zulassen, dass der Wesir nach Kairo zurückkehrte und dem Sultan berichtete, was geschehen war. Kadar rieb die verstümmelten Reste seines Ohrs. Wenn ich das Zepter habe, stirbt er, dachte er. Es war nicht zu vermeiden. Der Erfolg all seiner Pläne hing davon ab.
Obwohl er nicht zu Tagträumereien neigte, hatte er sich in den letzten Tagen immer wieder die Einzelheiten seiner Rache an Ashwaq al-Tufail ausgemalt. Er hatte sich gesehen, wie er den Männern al-Tufails mit dem Zepter vorgaukelte, ein Wunderheiler zu sein, um zu dem Mann vorgelassen zu werden, der ihm seine Schwester und seine Familie genommen und ihn zum Sklaven gemacht hatte. Merkwürdigerweise hatte ihn die Vorstellung von al-Tufails Tod durch seine Hand nicht mit Vorfreude erfüllt. Jetzt erkannte er, was an dem Bild falsch war. Al-Tufail litt an der Gallischen Krankheit, wodurch ihm ein qualvolles Sterben bevorstand. Ihn zu ermorden, selbst wenn es noch so grausam geschah, würde seine Leiden nur verkürzen. Er würde den Tod nicht fürchten, aber genau das war es, was
al-Munahid wollte. Ashwaq al-Tufail sollte wimmern und um Gnade
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