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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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wandte sich ab und hastete über den Pfad. Jada war schon vorausgelaufen; oben an der Treppe sah er sie verschwinden. Er hatte das Gefühl, dass ihre Eile nur wenig mit den nahenden Söldnern zu tun hatte. Etwas anderes trieb sie an.
    Im Klosterhof holte er sie ein. Unkraut und Sträucher wuchsen auf dem geglätteten Felsboden. Die Anlage war nicht größer als hundert auf hundert Schritt und füllte fast die gesamte Insel aus; einst hatte eine Mauer, von der nur noch Reste übrig waren, die Gebäude umfasst. Der achteckige Kirchturm musste, dem Umfang nach zu urteilen, recht hoch gewesen sein; jetzt stand nur noch das erste Geschoss. Die Grundmauern eines länglichen Hauses schlossen sich ihm an - das Dormitorium, vermutete Raoul. Von den übrigen Gebäuden waren nur noch verstreute, flechtenbewachsene Steine übrig. Raoul vermochte nicht zu sagen, ob das Kloster im Lauf der Zeit verfallen oder von einem lange zurückliegenden Angriff oder Feuer zerstört worden war. Sicher war nur, dass hier seit vielen Jahrzehnten, möglicherweise Jahrhunderten, kein Mönch mehr lebte. Unwillkürlich fragte sich Raoul, ob das Zepter nach so langer Zeit überhaupt noch da war.

    Jada stand in der Mitte des Hofes, ließ ihren Blick über die Gemäuer schweifen und wirkte auf eine Art und Weise verloren, die sein Herz rührte. Ein heftiger Husten packte ihn, die Nachwirkung der Anstrengung. Er fing die Blutstropfen mit seinem Tuch auf. Als der Anfall vorüber war und er sich in der Ruine umsah, verließ ihn die Zuversicht. Das Zepter konnte überall sein. Sie würden jeden Stein umdrehen müssen, während al-Munahid näher und näher kam.
    »Wo sind in solch einem Gebäude die Gräber?«, fragte Jada unvermittelt.
    Die Frage verwirrte Raoul, bis ihm klar wurde, dass Jada vermutlich noch nie zuvor ein christliches Kloster gesehen hatte. »Die meisten Klöster haben einen Friedhof«, sagte er. »Aber hier ist dafür kein Platz. Möglich, dass er irgendwo am Ufer ist. Oder es gibt eine Krypta.« Er ging durch die Überreste des Dormitoriums. In Ritzen im Boden wuchs das gleiche gelbliche Gras wie am Festland. Es hat keinen Zweck, dachte er. Wir müssten tagelang suchen.
    »Das Zepter ist in Antonius’ Grab«, sagte Jada. Sie hatte sich gebückt und legte mit der Hand etwas frei.
    Raoul blieb stehen. »Wieso glaubst du, dass er hier begraben liegt?«
    »Er hat dieses Kloster gegründet und starb hier wenige Jahre nach seiner Ankunft in Armenien.«
    Er stieg über die Mauer, ging zu ihr und sah, dass die Steinplatte, die sie von Moos und Flechten befreit hatte, eine T-förmige Einkerbung trug - das Antoniuskreuz. Ein Hinweis, dass sie mit ihrer Annahme, der Heilige sei der Gründer des Klosters, recht haben könnte. Raoul rief sich ins Gedächtnis, was er in Morras Bibliothek über Antonius gelesen hatte. »Antonius wurde in Konstantinopel begraben. Seine Gebeine liegen seit zweihundert Jahren in Frankreich.«
    »Das ist gelogen«, erwiderte sie in unerwartet scharfem Ton. »Eure Chronisten haben nichts als Lügen über ihn verbreitet.
Über sein Leben und über seinen Tod. Alles, was nicht zur christlichen Lehre gepasst hat, haben sie verdreht und entstellt.« Jada stand auf. Ihre Stimme wurde etwas weicher. »Antonius floh vor der Christenverfolgung nach Armenien. Aber keine zehn Jahre später erließ Kaiser Konstantin das Mailänder Toleranzedikt, und er hätte zurückkehren können. Dass er es nicht getan hat, bedeutet, dass er vorher gestorben ist.«
    Was ist nur mit ihr los?, fragte sich Raoul. Jada wandte sich ab und begann, die einzelnen Ruinen abzusuchen. Raoul schaute noch einmal zum Floß der Söldner, bevor er ihr half. Es war wesentlich langsamer als ein Ruderboot und schien sich kaum vom Fleck bewegt zu haben. Aber auf diese Entfernung konnte das täuschen. Selbst wenn al-Munahid nur halb so schnell vorankam wie sie, blieb ihnen höchstens eine Stunde, bis er die Insel erreichte.
    »Hier ist eine Treppe!«, rief Jada von der Turmruine her. Raoul lief zu ihr, und tatsächlich befanden sich in einer Mauernische Stufen; steil und eng führten sie in einem Bogen nach unten.
    »Die Treppe zur Krypta«, sagte er und war sicher, dass seine Vermutung zutraf. Die Lage im Kirchenschiff sprach dafür.
    Jada ging voraus, und er folgte ihr. Dank der Nische waren die Stufen frei von Trümmern. Allerdings war der niedrige Gang, der am Ende der Treppe begann und unter dem einstigen Kirchenschiff verlief, nach wenigen Ellen eingestürzt.

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