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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Verletzten und Sterbenden zu der Brombeerhecke. Jada schwieg. Auch Raoul war zu erschüttert, um zu sprechen. Er hatte gewusst, dass die Stadt früher oder später an die Mongolen fallen würde. Doch es mit eigenen Augen zu sehen, war etwas anderes.
    Zwei Stunden später schienen die Kämpfe zu Ende zu sein. Schwarzer Rauch von mehr als einem Dutzend Feuern stieg zum Himmel auf. Die Mongolen holten die Leichen ihrer Edelleute aus den Galgenkäfigen am Tor und ersetzten sie durch die toten Anführer der Aufständischen. Mit Karren transportierten sie die Körper erschlagener Armenier aus der Stadt und häuften sie links und rechts neben der Straße auf. Raoul hatte gehört, die Mongolen errichteten vor eroberten Städten Türme aus den Gebeinen ihrer Feinde. Nun sah er, dass es kein Gerücht war.
    »Da«, sagte Jada und deutete auf eine Gruppe von Reitern, die sich von dem Pulk Mongolen am Stadttor löste und die Straße zur Ebene hinunterritt. Jadas Augen waren schärfer als seine; dass es sich nicht um Mongolen handelte, erkannte er erst, als die Reiter die Uferstraße erreichten.
    »Das sind sie«, sagte er.
    Jada war schon auf dem Weg den Hang hinunter zum Lager. Raoul und Gaspare setzten ihr nach. Andranik kauerte an der erkalteten Feuerstelle und sprang auf, als er sie aus dem Gebüsch kommen sah.
    »Al-Munahid hat die Stadt verlassen«, rief die Ägypterin. »Er reitet am Seeufer nach Norden.«

    Andranik hatte vorausgedacht, ihre Ausrüstung gepackt und die Pferde gesattelt, sodass sie sofort aufsteigen konnten.
    Die Söldner unbehelligt aus dem Tor reiten zu sehen, hatte die letzten Zweifel beseitigt, dass sie die Stadt den Mongolen preisgegeben hatten, um sich freien Abzug zu erkaufen. Raoul fragte sich, ob es Kadar al-Munahids oder Harun ibn-Marzuqs Plan gewesen war. Den Wesir kannte er nicht. Das Wenige, das Jada über ihn erzählt hatte, genügte nicht, ihn einzuschätzen. Doch die Grausamkeit des Verrats sprach für al-Munahid. Raoul erkannte, dass er den Söldnerführer unterschätzt hatte. Ein Fehler, der ihm nicht noch einmal unterlaufen würde.
    Andranik führte sie aus dem Tal in die Hügel. Er stand vor der schwierigen Aufgabe, sie durch ein Gebiet zu geleiten, in dem es vor Mongolen wimmelte, und gleichzeitig die Spur der Söldner nicht zu verlieren, ohne ihnen jedoch so nahe zu kommen, dass sie die Verfolger bemerkten. Raoul vertraute den Fähigkeiten des Armeniers voll und ganz. Dass es ihm gelungen war, al-Munahid durch das gesamte Ararathochland nachzuspüren, war eine Leistung, die ihresgleichen suchte.
    Der Weg, den Andranik wählte, bewies erneut, wie gut er dieses Land kannte: Sie ritten auf einem Kamm, der in weitem Abstand neben der Küstenlinie des Sewansees verlief; Laubbäume und dichtes Buschwerk verbargen sie vor den Söldnern, die eine halbe Meile vor ihnen auf dem schmalen Uferstreifen ritten. Mit Mongolen war hier in den Hügeln nicht zu rechnen, denn die Siedlungen befanden sich allesamt am Seeufer. Das Hügelland aus erloschenen Vulkanen war weitgehend unbewohnt.
    Raoul war froh für die zwei Tage Ruhe, die hinter ihm lagen, denn der Ritt verlangte ihnen einiges ab. Es gab keine Straße, nicht einmal einen Pfad, nur unwegsamen Boden, der immer wieder steil abfiel und anstieg. Auf der ebenen Uferstraße kamen die Söldner gut voran, daher hetzte Andranik sie in einem halsbrecherischen Tempo den Kamm entlang. Trotzdem vergrößerte sich al-Munahids Vorsprung. Gegen Mittag betrug
er bereits zwei Meilen oder mehr, und die Söldner waren nur noch als Staubwolke zu sehen. Dass sie ihre Pferde antrieben und sich keine Pausen gönnten, konnte nur bedeuten, dass das Versteck oder der Aufbewahrungsort des Zepters nicht mehr fern war.
    Je weiter sie nach Norden kamen, desto breiter wurde das Flachland am Ufer. Um die Söldner nicht aus den Augen zu verlieren, mussten sie die Hügel verlassen und ritten im Schutz der Schilfwälder und Baumgruppen. Die Unruhen hatten auch hier ihre Spuren hinterlassen: Ein Fischerdorf war niedergebrannt und zerstört, in einem anderen hatten die Mongolen im Gebälk eines Glockenturms weithin sichtbar drei Aufständische aufgehängt. Auf einer Wiese am Wegesrand lagen zwei Dutzend Leichen, Bauern mit Sensen, Dreschflegeln, rostigen Schwertern und anderen einfachen Waffen, die höchstens zwei Tage tot waren. Die Körper waren bleich und aufgedunsen, von Pfeilen gespickt und Schwertwunden verstümmelt, das Gras um sie herum von Pferdehufen zerstampft. Mongolen

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