Der Gesandte des Papstes
sein Schwert, um dem Fliehenden einen überraschenden Empfang zu bereiten. Aber der Soldat bemerkte ihn rechtzeitig und rannte stattdessen zum Turm neben dem Haupthaus.
Najib verschwendete keinen Gedanken mehr an seinen Befehl und setzte ihm nach. Er hatte bemerkt, dass der Mann unbewaffnet war und sich die Hand auf den Arm presste - er war verletzt! Also würde er ein leichtes Spiel mit ihm haben. Seine Mordlust stieg. Najib hatte keine Angst vor einem Zweikampf; er konnte gut kämpfen. Aber letztlich war es ihm lästig, einen Gegner erst überwältigen zu müssen, bevor er seinen Spaß mit ihm haben konnte. Najib genoss es, bei einer Hure zu liegen oder beim Würfeln Akif Münze für Münze aus der Tasche zu ziehen und dabei über das verkniffene Gesicht des Eunuchen zu lachen. Doch das waren armselige Freuden verglichen mit dem Blutrausch, den er empfand, wenn ein Mann unter seinen Händen vor Schmerzen schrie, um Gnade flehte und irgendwann nach seiner Mutter rief.
Der Söldner war vom Blutverlust derart geschwächt, dass Najib ihn bereits in der untersten Turmkammer einholte. Mit einem Hieb streckte er ihn nieder und fesselte ihn mit seiner eigenen Hose ans Tischbein. Najib eröffnete sein Spiel, wie er es immer tat: harmlose Messerstiche in Arme und Beine, um sein Opfer darauf einzustimmen, was ihn erwartete. Dann steigerte er die Schmerzen, indem er ihm tiefere Schnitte beibrachte, Finger abtrennte, Augen ausstach. Das gefiel ihm am besten: Wenn der Mann nicht mehr sehen konnte, was ihn als Nächstes erwartete. Der Turm hatte dicke Wände und massive Türen und im untersten Stock keine Fenster, sodass er sich keine Sorgen machen musste, ob der aqid im Haupthaus etwas mitbekam. Ungestört konnte er die Schreie auskosten. Als der Soldat ohnmächtig
wurde, schlug Najib ihm so lange ins Gesicht, bis er wieder zu sich kam. »Pfui«, sagte er. »Es ist gegen die Regeln, sich einfach davonzustehlen. Mach das nie wieder, hörst du?«
Hinter ihm öffnete sich knarrend die Tür. Zornig über die Störung fuhr er herum. Eine Frau, die er irgendwo schon einmal gesehen hatte, trat ein … das Weib, das dem Ritter geholfen hatte! Najib schnellte hoch, stach mit dem Messer nach ihrem Hals. Sie war flinker als erwartet und wich aus, und der Dolch in ihrer Hand verfehlte nur knapp sein Gesicht. Was, bei den Eiern des Propheten, hat sie hier zu suchen?, dachte er, doch da entdeckte er den Ritter, der nach ihr hereinstürmte. Das Schwert bemerkte er zu spät. Er spürte einen Ruck in seinem Handgelenk, einen kurzen, scharfen Schmerz - dann sah er etwas durch die Luft fliegen.
Meine Hand, dachte er seltsam teilnahmslos und hob den Stumpf hoch. Blut quoll hervor, und glühende Schlangen schienen in seinem Arm heraufzukriechen.
Nein! So geht das nicht. Das ist gegen die Regeln. Die anderen erleiden den Schmerz, die anderen , nicht ich …
Während er noch den Stumpf anstarrte, bohrte sich der Dolch der Frau in seinen Hals.
Matteo Gaspare ging bei den Pflöcken auf dem Dorfplatz in die Hocke, nahm eines der Lederbänder in die Hand, die daran festgebunden waren, und sah zu Morra auf. »Abgeschnitten.«
Mit gerunzelter Stirn blickte der Kardinal zu den Pferden und Dromedaren, die verstreut im Tal grasten, und schien sich das Gleiche zu fragen wie Matteo: Was ist hier geschehen? Sein Pferd tänzelte; er brachte es mit einem festen Ruck an den Zügeln zur Ruhe. »Durchsucht das Dorf«, befahl er, worauf Hauptmann Simone und die anderen Waffenknechte abstiegen und paarweise durch die Ruinen schwärmten.
In Matteo schrie alles nach Schlaf, aber er hütete sich davor, um eine Pause zu bitten. Auf ihrem Ritt von Armenien zum
Euphrat war Morra von Tag zu Tag ungeduldiger und reizbarer geworden, und Matteo wollte nicht mit einem falschen Wort alles, was er erreicht hatte, aufs Spiel setzen. Die Reise hatte ungute Erinnerungen an ihren Ritt von Jerusalem nach Norden in ihm geweckt, als Battista sie erbarmungslos angetrieben hatte. Die letzten Tage waren nur deshalb nicht ganz so schlimm gewesen, weil Morras Kräfte bei Weitem nicht an die des Kreuzritters heranreichten. Trotzdem hatte er sein Bestes gegeben, die verlorene Zeit aufzuholen. Dank häufiger Pferdewechsel und kurzer Nächte schien es ihm gelungen zu sein; jedenfalls deuteten die Reittiere in dem Ruinendorf darauf hin, dass al-Munahid noch in der Nähe war.
Matteo zog den Kopf ein, als er unter einem baufälligen Türsturz hindurchtrat, und begann, sich seine Heimkehr
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