Der Gesandte des Papstes
als sein Waffenrock, sondern auch bequemer. Es war ein ärmelloser Überwurf aus grober Wolle, der bis zum Boden fiel und an der Hüfte von einem Strick zusammengehalten wurde. Darin und in den einfachen
Sandalen ließ sich die Hitze leichter ertragen. Als Raoul wieder an Deck kam, näherte sich die »Elýsion« gerade der Hafenmauer Askalons. Das Hafenbecken war wesentlich kleiner als das an der Tibermündung, und die zwei Dutzend Schiffe darin drängten sich dicht an dicht an der Hafenmauer und den Anlegestegen. Die meisten waren Fischerboote, doch er sah auch Handelsschiffe aus verschiedenen Reichen am Mittelmeer, darunter ein Zweimaster aus Genua und eine Galeere aus Portugal.
Kurz darauf gingen sie an Land. Nach fast zwei Wochen auf See war es ein ungewohntes Gefühl, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Ihre Ausrüstung hatten sie in Rucksäcke umgepackt; sein Schwert trug Raoul in eine Decke gewickelt auf dem Rücken. Die Meeresluft hatte ihm gutgetan. Der Husten war merklich zurückgegangen, und seit einer Woche blieb er von Albträumen verschont. Er war so voller Tatendrang, dass er die ständige Erschöpfung kaum noch spürte. Gaspare und er riefen sich Scherze zu, als sie sich ihren Weg durch das Gedränge bahnten.
Die Hafenmauern gingen direkt in die Befestigungsanlagen über. Vor den Lagerhäusern, Garküchen und Herbergen herrschte ein lärmendes Durcheinander aus Seeleuten, Händlern, Reisenden und Arbeitern. Ein brüllendes Kamel wurde mit einem Kran auf ein Schiff befördert. Fässer, Kisten, Körbe, versiegelte Krüge und Tuchballen stapelten sich und warteten darauf, von Trägern fortgeschafft zu werden. Zwei Mameluckensoldaten, Männer mit roten Waffenröcken über den Ringelpanzern, Rundschilden mit dem goldenen Halbmond, Turbanen, aus denen silberne Helmspitzen ragten, und übermannslangen Lanzen in den Händen, befahlen einem einheimischen Kapitän mit barschen Worten und knappen Gesten, die eben abgeladenen Kisten zu öffnen, worauf der Mann zuerst die Hände hilfesuchend gen Himmel reckte und dann unter lautstarkem Protest der Aufforderung nachkam. Und über allem lag der Gestank von ungewaschenen Körpern, Fisch, der in der Sonne verrottete,
und dem Abwasser Askalons, das an der Hafenmauer ins Meer floss.
Zielstrebig schlug Gaspare einen Weg ein, der an den rußgeschwärzten Mauern der Zitadelle vorbei zu einer belebten Straße ins Innere der Stadt führte. Je weiter sie sich vom Hafen entfernten, desto heruntergekommener sahen die quaderförmigen Häuser aus, desto weniger Menschen begegneten ihnen. Viele Gebäude standen leer, manche waren ausgebrannt oder teilweise eingestürzt, und in den Trümmern wuchs dürres Gestrüpp. Auch die Stadtmauer wies noch Spuren jener Kämpfe vor zwölf Jahren auf, als Sultan al-Ashraf zum vernichtenden Schlag ausgeholt hatte, um die Kreuzfahrer endgültig aus dem Heiligen Land zu vertreiben. Schutt türmte sich dort, wo Belagerungsmaschinen Breschen in die Mauer gerissen hatten. Bis auf die Grundmauern niedergebrannte Kasernen dienten als Gehege für Schafe und Ziegen. Türme waren abgetragen worden, um Baumaterial für beschädigte Häuser zu gewinnen. Raoul wunderte es nicht, dass sich niemand die Mühe gemacht hatte, die Stadt wieder vollständig aufzubauen. Selbst ein Neuankömmling wie er sah, dass sich Askalon in hundert Jahren nicht von der Zerstörung erholen würde.
In der Nähe eines unversehrten Stadttors fand Gaspare eine kleine Karawanserei, in der sie Vorräte und Wasser für die Reise und zwei Pferde kauften. Raoul wurde zum ersten Mal Zeuge, wie Gaspare Arabisch sprach, und seine Bewunderung für ihn wuchs. Denn was aus den Mündern des Toskaners und des Pferdehändlers kam, klang in seinen Ohren wie kehlige Krächzlaute, die keine Ähnlichkeit mit einer der Sprachen hatten, die er je in seinem Leben gehört hatte. Gaspare bezahlte mit Dirhams, fein geprägten arabischen Silbermünzen, von denen sie einen Beutel voll aus Rom mitgebracht hatten.
Unter den Arkaden der Karawanserei warteten sie, bis die größte Mittagshitze vergangen war, dann verließen sie Askalon auf den Rücken ihrer Pferde. Jenseits der Stadtmauern begann
die Wüste, die, so erklärte Gaspare, von den Einheimischen Negev genannt werde. Ein Pfad, mehr eine von unzähligen Stiefeln und Hufen geschaffene Furche, zog sich schnurgerade durch das ockerfarbene Land, das nach einer halben Stunde in zerklüftete Hügel überging. Wind pfiff um die scharfkantigen
Weitere Kostenlose Bücher