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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Felsen und wehte den allgegenwärtigen Sand auf. Um sich davor zu schützen, schlang sich Raoul nach Gaspares Vorbild ein Tuch so um den Kopf, dass nur ein schmaler Schlitz für die Augen blieb.
    Die Gegend war so gut wie menschenleer. Gelegentlich sahen sie Hütten, die dicht zusammengedrängt und befestigt auf einer Hügelkuppe standen; manchmal begegnete ihnen auch ein Hirte mit seiner Ziegenherde. Die Tiere fraßen von den dornigen Büschen, die unerklärlicherweise an den Hängen wuchsen, obwohl Raoul schätzte, dass hier seit vielen Jahren kein Tropfen Regen mehr gefallen war.
    Gegen Abend kamen sie zu den verlassenen Ruinen eines Zollturms, an dem sich die Straße gabelte. Sie ritten nach Nordosten, Richtung Bethlehem. In einem ausgetrockneten Flussbett, einem Wadi, kam ihnen eine berittene Streifwache von sechs Mameluckensoldaten entgegen. Der Anführer, ein baumlanger Mann mit geöltem Bart, war schlechter Laune und hinderte sie am Weiterreiten. Raoul musste die Unterhaltung zwischen Gaspare und dem Hauptmann nicht verstehen, um zu wissen, worum es ging: Sie sollten ihr Gepäck öffnen und zeigen, was sie mit sich führten. Gaspare ließ sich nicht darauf ein, denn er wollte vermeiden, dass jemand die Schriftrolle in seinen Satteltaschen zu Gesicht bekam. Der Disput endete jäh, als ein Dirham unauffällig von der schlanken Hand des Toskaners in die Pranke des Mamelucken wechselte, und sie konnten ihren Ritt fortsetzen. Raoul gewann den Eindruck, dass Gaspare nicht im Geringsten auf seine Hilfe angewiesen war. Morra schien die Fähigkeiten seines Schreibers zu unterschätzen.
    Zwei Tage später, unter einer glühenden Abendsonne und einem
Himmel wie Kupfer und Türkis, sahen sie Jerusalem, das zwischen Hügeln eingebettet lag. Raoul zügelte sein Pferd auf einer Anhöhe. Auf der anderen Seite des Tals, eingefasst in sandfarbene Felsen und Ebenen, erhob sich die Heilige Stadt, der Ort von Christi Leiden und Tod. Das Herz der Welt lag auf den südlichen Ausläufern einer Hochebene, hinter der der Jordan in das Tote Meer mündete. Den Westen beherrschte die mächtige Davidsburg, den Osten das rechteckige Tempelviertel mit der schimmernden Kuppel des Felsendoms vor der olivgrünen Flanke des Ölbergs. Dazwischen brodelnde Gassen voller Menschen, Häuser, winzige ummauerte Gärten, Zisternen mit glitzerndem Wasser, Türme, Kirchen, Synagogen, Moscheen, alles auf engstem Raum zusammengedrängt. Raouls Kehle war trocken und rau von Hitze und Flugsand, sein Rücken schmerzte vom Ritt und forderte Erholung - doch er spürte nichts davon, überwältigt vom Anblick, der sich ihm bot. Auch Gaspare, der immer zur Eile drängte, schwieg und nahm die Pause ohne zu murren hin.
    Raoul stieg ab, löste seine Geldbörse vom Gürtel und kniete am Wegesrand nieder. Er grub seine Hände in die lose, trockene Erde, ließ sie durch die Finger rieseln. Heilige Erde, dachte er. Vater, wenn du nur hier sein könntest … Er füllte etwas davon in seine Börse.
    »Wofür ist das?«, fragte Gaspare vom Rücken seines Pferds.
    »Für das Grab meines Vaters«, antwortete Raoul. Sein Vater hätte sich gewünscht, dass er das für ihn tat. Für einen Augenblick, kürzer als ein Herzschlag, wallte Sehnsucht nach Bazerat in ihm auf, nach Jacques und Blaise und all den anderen, so heftig, dass es ihm die Brust zuschnürte. Er richtete sich auf und blickte noch einmal zur Stadt im Tal. Es war gut, dass er hergekommen war. Gut und richtig. Es konnte nicht Gottes Wille sein, dass er Bazerat nie mehr sah.
    Als er wieder im Sattel saß, fragte er: »Wohnt Battista in der Stadt?«
    »Nein, zum Glück nicht.« Gaspare schirmte seine Augen
vor der Sonne ab, als er Raoul anblickte. »Sein Haus steht außerhalb. Es kann nicht mehr weit sein.«
    »›Zum Glück nicht‹? Was bedeutet das?«
    Sie setzten sich wieder in Bewegung und folgten weiter dem Weg auf dem Hügelkamm. Seit Bethlehem hatte das Treiben stetig zugenommen, und ihnen leisteten Hirten, Bauern, schwer bepackte Maultiere und Ochsenkarren Gesellschaft. Raoul und Gaspare hielten sich in der Mitte der Straße, die den Berittenen vorbehalten war.
    »Christen sind in Jerusalem nicht gerne gesehen. Die Sarazenen haben das Massaker von Tausendneunundneunzig nicht vergessen. Sie rächen sich jetzt, indem sie den christlichen Einwohnern immer neue Verbote auferlegen. Da, seht Euch diesen Mann an.« Gaspares Blick wies auf eine Gestalt, die einen Karren voller Zitronen und Orangen vor sich herschob.

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