Der Gesandte des Papstes
Außer Gesicht und Händen wurde alles von einer grauen Kutte verhüllt. »Ein Christ. Ein Gesetz zwingt ihn, in der Stadt diesen Umhang zu tragen. Erwischt man ihn in anderer Kleidung, wird er ausgepeitscht.«
Der Hügelkamm beschrieb einen weiten Bogen nach Osten und lief langsam ins Tal aus, durch das ein nahezu ausgetrockneter Bach rann. Eine halbe Meile vor der Stadt führte die Straße an einem achteckigen Gebäude mit sandfarbenen, zinnenbewehrten Mauern vorbei. Es stand auf einem mehr als mannshohen Felsen; das breite Tor war über eine aufgeschüttete Rampe zu erreichen.
»Das ist es«, sagte Gaspare. »Battistas Haus.«
Das Tor stand offen. Im Innenhof empfing sie der Lärm einer kleinen Kamelkarawane, die sich gerade zum Aufbruch bereitmachte. Die sechs Tiere waren schwer mit Körben und Kisten beladen und blökten, als auch noch Reiter in die Sättel stiegen. Raoul und sein Gefährte stiegen ab und führten ihre Pferde zu den Tränken auf der anderen Seite des Hofs. Abgesehen von der Form ähnelte die Karawanserei jener in Askalon, nur dass
diese sehr viel besser befestigt war. Das Hauptgebäude auf der linken Seite vom Tor hatte eine massive, eisenbeschlagene Tür, schießschartenartige Fenster und einen Turm, auf dem zwei Männer mit Armbrüsten standen. Auf den Arkaden befand sich ein Wehrgang, der fast die gesamte Mauer umlief; auch hier sah Raoul Bewaffnete, die eindeutig keine Einheimischen waren, wenngleich sie die für dieses Land üblichen Kleidungsstücke und Waffen trugen. Venezianer wie Cristoforo Battista, vermutete er. Das Gleiche galt für die übrigen Menschen, die in den Werkstätten, Ställen und Lagerräumen unter den Arkaden ihre Arbeit taten. Die einzigen Araber waren die Männer auf den Kamelen, die sich gerade entfernten. Ein Junge sammelte die Dungklumpen auf und warf sie in einen Sack.
Als er an ihnen vorbeikam, hielt Gaspare ihn an. »Wo finden wir deinen Herrn?«, fragte er den Jungen auf Toskanisch.
»Dort drüben«, sagte der Junge mit gebrochener Heranwachsendenstimme und setzte seine Arbeit fort.
Cristoforo Battista stand vor dem Eingang des Hauptgebäudes und gab einem Bediensteten Anweisungen. Er war ein Hüne, eine Handbreit größer als Raoul und breiter an den Schultern, bartlos, dunkelblond und mit kantigem Kiefer, sodass Raoul sich fragte, ob der Mann deutsche oder dänische Vorfahren hatte. Dass Battistas Gesicht nicht grob und ungeschlacht wirkte, lag an den braunen Augen, denen nichts zu entgehen schien. Er trug ein bodenlanges Gewand aus schwerem, rotem Tuch mit golddurchwirkten Ärmelaufschlägen.
Der Bedienstete ging, und Battista erwiderte Gaspares Gruß mit einem knappen Nicken.
»Wir kommen aus Rom«, sagte der Toskaner. »Seine Eminenz Kardinal Morra schickt uns.«
Battistas Blick wurde hart. »Ich kenne keinen Kardinal Morra«, erwiderte er unwirsch. »Wenn Ihr nach einem Nachtlager sucht, wendet Euch an meine Leute.« Er wollte sich abwenden, als Gaspare murmelte:
»Wartet. Bitte.« Er senkte seine Stimme weiter. »Denn vergesse ich dein, Jerusalem, so verdorre meine Rechte.«
Der Venezianer musterte erst Gaspare, dann Raoul. Der Argwohn zog sich nur langsam aus seiner Miene zurück. »Kommt ins Haus«, sagte er schließlich.
Sie folgten dem Hünen durch den halbdunklen Eingangsraum eine hölzerne Freitreppe hinauf bis zu einem Zimmer mit hohen Fenstern, die auf die Heilige Stadt blickten. Der Raum enthielt nichts als einen aufgeräumten Schreibtisch, einen Schrank aus Zedernholz, zwei Wandteppiche mit rotstichigen Darstellungen der Lagunenstadt Venedig und einer Sitzecke in einem hellen Erker über dem Wehrgang. Dorthin führte Battista sie und forderte sie auf, in den geschnitzten Sesseln Platz zu nehmen.
Gaspares Bibelzitat hatte die Schärfe aus seiner Stimme verschwinden lassen. »Entschuldigt mein Misstrauen. Aber der Erfolg meiner Arbeit ist ganz von meiner Tarnung abhängig.« Ein junger Diener brachte eine Glaskaraffe mit goldenem Wein. Battista nahm drei Kupferbecher aus dem Glasschrank und füllte sie. »Er stammt aus meiner Heimat. Hier welchen zu bekommen ist nahezu unmöglich.«
Das Sonnenlicht zeichnete ein verschlungenes Rosengeflecht auf den Tisch: Schatten der Schnitzarbeiten in den Erkerfenstern. Der Wein war süß und kühl. Während Raoul daran nippte, fragte er sich, worin genau Battistas Arbeit bestand.
»Es ist ein Jahr her, seit ich Seiner Eminenz zuletzt begegnet bin«, fuhr der Venezianer fort. »Ich hoffe, es
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