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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Gleichgewicht verlor, fiel eine Kiste auf das Pflaster und brach auf. Eisenbarren kamen zum Vorschein. Unter den Flüchen ihres Kapitäns sammelten die beiden Träger die Barren wieder ein.
    Francesco hatte Raoul und Gaspare an der Hafenmauer abgesetzt. Raoul trug die Seekiste mit seinen Sachen den Laufsteg der »Elýsion« hinauf und setzte sie auf dem Deck ab. Hafenarbeiter schleppten Fässer und Stoffballen zu den Ladeluken, wo muskulöse Arme die Waren entgegennahmen. Seeleute mit nackten Oberkörpern machten das Schiff seeklar, angetrieben von den knappen Befehlen des Kapitäns, einem mageren Byzantiner mit kränklicher Gesichtsfarbe und kostbaren Kleidern, der nach vorne gebeugt, als litte er an Magenschmerzen, neben der Ruderpinne
stand. Während Raoul darauf wartete, dass man ihnen ihre Kajüte zuwies, betrachtete er die Wolkenberge über dem offenen Meer und die Wellen, die sich schäumend an der Hafenmauer mit dem kleinen Leuchtturm brachen. Gaspare, der sich mit solchen Dingen auszukennen schien, hatte gesagt, dass sie bei gutem Wind fast zwei Wochen unterwegs sein würden. Es war Raouls erste Schiffsreise, und er versuchte sich vorzustellen, wie es sein mochte, tagelang von nichts als Wasser und Himmel umgeben zu sein. Seit dem Untergang der Kreuzfahrerstaaten liefen nur noch wenige Schiffe nach Palästina aus. Gaspare hatte drei Tage gebraucht, eine Überfahrt zu bekommen. Raoul war froh, dass die Zeit der Untätigkeit endlich vorbei war.
    Der Wind pflügte durch die Locken des kleinen Italieners, als er in Begleitung eines Seemanns über das Deck kam. An einem Lederband um seinen Hals baumelte ein Futteral. Es enthielt das Manuskript. Morra hatte ihm eingeschärft, es niemals aus den Augen zu lassen. »Kommt«, sagte Gaspare, »er führt uns zu unserer Unterkunft.«
    Raoul hob die Kiste hoch und folgte den beiden Männern unter Deck. Ihre Kajüte befand sich direkt am Bug, eine enge, fensterlose Kammer, in der es nach Salz, Algen und feuchtem Holz roch. Raoul probierte seine Schlafliege aus und stellte fest, dass sie für Männer gemacht war, die zwei Handbreit kleiner waren, sodass er nur mit angewinkelten Knien hineinpasste.
    Eine halbe Stunde später lief die »Elýsion« aus. Draußen vor der Küste füllte eine kräftige Brise das Segel und trieb das Schiff nach Südosten. Der günstige Wind hielt auch in den nächsten Tagen an, sodass sie schon am nächsten Morgen Neapel passierten und weitere zwei Tage später die Straße von Messina erreichten, die Meerenge zwischen Italien und Sizilien. Raoul hielt sich die meiste Zeit des Tages an Deck auf. Die von Gaspare prophezeite Seekrankheit hatte ihn verschont, und er genoss den Anblick des Meeres. Gaspare vertrieb sich die Zeit, indem er den halben Tag verschlief, Zeichnungen von Seevögeln
anfertigte oder mit einem der Seeleute würfelte. Er unterhielt sich mit den Männern fließend auf Griechisch.
    Auf dem Ionischen Meer schlug das Wetter eines Nachts um. Raoul wurde aus dem Schlaf gerissen, als das Schiff in ein Wellental sackte und fast im gleichen Moment von einem Brecher längsseits getroffen wurde. Er hielt sich an den Kanten der Liege fest, um nicht herausgeschleudert zu werden, bis das Schaukeln auf ein erträgliches Maß zurückgegangen war.
    Die Laterne an der niedrigen Decke quietschte und spendete nur dämmriges Licht. Gaspare, der normalerweise den Schlaf eines Kleinkinds hatte und mit einer Lautstärke schnarchte, die Raoul einem Mann seiner Größe niemals zugetraut hätte, kauerte mit angezogenen Knien in der Ecke seines Schlaflagers und grinste. »Wenn Ihr jetzt nicht endlich seekrank werdet, vergesse ich alles, was ich über Seefahrt weiß.«
    Raoul setzte sich auf. Benommen löste er den Deckel des Fasses, das im Boden verankert war, und trank eine Kelle Wasser. Es vertrieb die Schlaftrunkenheit. »Wie lange stürmt es schon?«
    »Seit gut zwei Stunden. Und es wird noch bis morgen früh anhalten, sagt der Kapitän.«
    Übel wurde Raoul von dem Schwanken des Schiffs nicht, aber an Schlaf war trotzdem nicht mehr zu denken. Er spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht und kauerte sich wie Gaspare in die Ecke seiner Schlafnische, um nicht ständig hin- und hergeworfen zu werden. Das Heulen und Pfeifen des Winds klang hier unten wie aus weiter Ferne.
    Matteo Gaspare trug dieselbe Kleidung wie bei ihrer ersten Begegnung. Er wechselte sie nie und zog sie auch zum Schlafen nicht aus. Auch vom Waschen schien er nicht viel zu halten; jedenfalls

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