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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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eine Furcht vor der Hölle eingeflößt, die bis in die dunkelsten Tiefen seiner Seele reichte und die er auch jetzt noch, viele Jahre später, verspürte. Als er die leuchtend rote Öffnung in der Tunnelwand und den langgezogenen, gekrümmten Schatten sah, glaubte er für einen verstörenden Augenblick, das Tor der Hölle vor sich zu haben, hinter
dem sich eine finstere Landschaft voller Dämonen, Foltergeräte, Lavaströme und gepeinigter Seelen erstreckte.
    Aber der Schatten war nur der eines gewöhnlichen Mannes und das Flüstern der Verdammten nichts als menschliche Stimmen, die von fern an sein Ohr drangen. Matteo Gaspare schalt sich einen Narren und rief sich in Erinnerung, warum er hier war: nämlich seine Seele zu retten. Es half, seine Furcht zu besänftigen. Aber er wünschte wieder einmal, nicht so eine beklagenswerte Memme zu sein.
    Langsam näherten sie sich dem seitlichen Durchbruch. Dahinter erstreckte sich ein weiterer Tunnel, der erst durch massiven Fels, dann durch Mauerwerk führte und schließlich in einen großen Raum mündete, der zum Hundsturm gehören musste. Dort, keine zwanzig Ellen vor ihnen, hielten sich die anderen Söldner auf.
    Raoul und der Venezianer postierten sich links und rechts vom Tunneleingang, ihre Armbrüste schussbereit. Matteo fiel die Aufgabe zu, die Waffen zu spannen und nachzuladen, während die anderen beiden leicht zeitversetzt abdrückten, sodass sie den Tunnel ohne Unterbrechung unter Beschuss halten konnten. Er war so schmal, dass die Söldner hintereinander gehen mussten, wenn sie den Turm verließen. Auf diese Weise konnten sie ihre Übermacht nicht ausnutzen. Battista und Raoul rechneten damit, zwischen fünf und acht Söldner zu töten, bevor es zum Nahkampf kam. Wie viele dann noch übrig sein würden, wussten sie nicht. Da der Gang aufsteigend verlief, konnte Matteo nur den vorderen Teil des Turminnenraums überblicken, in dem sich niemand aufhielt. Anhand des Stimmengewirrs vermutete er, dass ihre Schätzung von fünfzehn Männern ungefähr zutraf. Also lag die Übermacht selbst im besten Fall noch bei zwei zu eins. Nachdem er in Akkon wie durch ein Wunder mit halbwegs heiler Haut davongekommen war, hatte er gehofft, so etwas nie wieder erleben zu müssen.
    Er blickte zu Raoul, der in der Ecke kauerte und in den Tunnel
spähte. Matteo bewunderte ihn für seine Gelassenheit und fragte sich, woher er sie nahm, wo er doch allen Grund hatte zu verzweifeln. Nimm dir ein Beispiel an ihm, dachte er verdrossen und rieb seine Hände aneinander, um sie in dem kühlen und feuchten Tunnel warm und beweglich zu halten. Mit steifen Fingern konnte man weder eine Spannvorrichtung bedienen noch ein Schwert führen.
    Eine halbe Stunde verstrich. Aus den Gesprächsfetzen, die aus dem Turm zu ihnen herunterdrangen, schloss Matteo, dass die Söldner die Schriftrolle noch nicht gefunden hatten. Der Drang, wegzulaufen, wurde immer mächtiger, und nicht zum ersten Mal erwog er, ihm einfach nachzugeben. Mit seinen Sprachkenntnissen konnte er sich überall in der Welt niederlassen, weit weg von Rom, sodass Morra ihn niemals finden würde. Der Gedanke war verlockend. Aber was hätte er gewonnen? Zwanzig, vielleicht dreißig Jahre Leben - und dann? Eine Unendlichkeit auf den Folterrädern des Fegefeuers.
    Matteo blickte nicht oft auf sein Leben zurück. Aber wenn er es tat, erschien es ihm, dass er bei jeder Weggabelung des Schicksals die falsche Richtung gewählt hatte. Er fragte sich, ob die Entscheidung, für Morra ins Heilige Land zu reisen, nicht die törichste von allen gewesen war. Sicher, der Lohn war groß, doch leider sprach einiges dafür, dass es hier, in diesem muffigen, von Gott vergessenen Tunnel, ein vorzeitiges Ende mit ihm nahm.
    Und alles seinetwegen, dachte er mit finsterem Blick auf den Rücken Battistas. Der Hüne vereinte alles in sich, was Matteo zu hassen gelernt hatte, aber am schlimmsten war, dass er ihm gehorchen musste, ganz gleich, was geschah. So lautete Morras strikte Anweisung. Dass der Venezianer wahrscheinlich ebenfalls sterben würde, verschaffte Matteo keine Genugtuung, denn Männern wie ihm war das Himmelreich sicher. Wer so viele Heiden getötet hatte, musste ins Paradies kommen. Matteo hatte zwar auch einige Sarazenen erschlagen, aber ihre
Zahl, so hatte man ihm gesagt, reiche nicht aus, um seine kleine, garstige Seele zu reinigen. Gerechtigkeit gab es offenbar nicht einmal im Jenseits.
    »Sie haben sie«, murmelte Battista. Sein Körper spannte

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