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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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seinen Dolch, um al-Munahids nächstem Angriff zu begegnen, doch der Söldner war verschwunden.
    Raoul griff nach dem erstbesten Schwert, einem Krummsäbel, drehte sich zum Eingang des Tunnels um und konnte gerade noch verfolgen, wie Battista zu seinem letzten Schlag ausholte. Mit letzter Kraft kämpfte der Venezianer gegen einen Koloss von Mann. Es konnte nur ein Eunuch sein, denn sein Kopf und die nackten Arme waren völlig haarlos und seine Gliedmaßen unnatürlich lang. Er schwang ein zweihändiges Krummschwert, ein Ungetüm, wie es die Scharfrichter des Sultans zum Abschlagen von Köpfen gebrauchten. Battista riss seine Klinge hoch, um einen Streich abzuwehren, der ihm den Schädel gespalten hätte, aber es gelang ihm nicht, die Lücke in seiner Deckung zu schließen: Die Schlachtklinge des Eunuchen drang bis in seine Eingeweide. Ein Schweif aus Blut folgte dem Krummschwert, als der Eunuch die Waffe herauszog. Battista wankte einen Schritt nach hinten, einen zweiten, dann entglitt das Schwert seinen Fingern, und er brach zusammen.
    Raoul zog sich einige Schritte zurück, damit der Eunuch sich zu ihm in den engen Gang zwängen musste. Doch der erwartete Angriff kam nicht. Ein anderer Söldner erschien hinter dem Koloss und schleuderte ein tönernes Gefäß und eine Fackel in den Tunnel. Das Gefäß zerbrach, eine Flammenwand schoss fauchend in die Höhe. Raoul schützte sein Gesicht mit dem Arm, wirbelte herum und lief den Gang hinauf.
    Gaspare stand oben im Turm. Sein rundes Gesicht glühte im Widerschein der Flammen. »Griechisches Feuer!«, schrie er. »Einmal entzündet, ist es durch nichts mehr zu löschen.«

    Es dauerte einige Augenblicke, bis Raoul wieder klar sehen konnte. Die jähe Helligkeit hatte ihn geblendet. Der Turm bestand aus einem einzigen hohen Raum, den zwei hölzerne Balustraden in sechs und zwölf Ellen Höhe umliefen, getragen von einem uralten Balkengerüst. Überall standen Kisten und Truhen voller Schriftrollen, Bücher und Pergamente. Jene, die die Söldner durchsucht hatten, stapelten sich in einer Ecke. Der Boden war mit Schriftstücken übersät. Den Eingang des Tunnels, durch den al-Munahid und seine Männer entkommen waren, entdeckte Raoul in der gegenüberliegenden Ecke des Turms.
    Zwei weitere Tongefäße flogen durch die Flammenwand und zersplitterten. Das Feuer fraß sich gierig den Gang hinauf, griff auf das Pergament über, leckte schon an den Gerüstbalken.
    »Wir müssen hier raus«, stieß Raoul hervor und lief zum anderen Tunnel. Gaspare folgte ihm.
    »Und die Söldner? Sie schlachten uns ab!«
    »Willst du lieber hier drinnen verbrennen?« Raoul musste den Kopf einziehen, um den niedrigen Gang zu betreten, doch dann hörte er das Platzen von Ton, und der Ausgang verschwand in explodierenden Flammen. »Zurück!«, schrie er, fuhr herum und rannte hinter Gaspare zurück in den Turm.
    Die Söldner nährten das neue Feuer mit weiteren Gefäßen, sodass es binnen weniger Herzschläge aus dem Eingang leckte und an den staubtrockenen Balken emporwuchs.
    Raoul spürte, wie sich sein Magen vor Verzweiflung zusammenzog. Sie saßen in einem Raum fest, der sich bald in eine Feuerhölle verwandeln würde. Aber bevor sie verbrannten, würden sie ersticken. Wie lange würde die Luft noch ausreichen? Fünfzig Herzschläge? Hundert?
    Als er fieberhaft nach einem Ausweg suchte, entdeckte er den ursprünglichen Eingang des Turms. Er war mit großen Steinblöcken vermauert. »Hilf mir!«, rief er Gaspare zu und wählte einen Gerüstbalken aus, der keine tragende Funktion hatte. Gemeinsam
traten sie dagegen, bis sich die alten, rostigen Nägel lösten und der Balken herausbrach. Wie eine Ramme stießen sie ihn gegen den zugemauerten Eingang.
    Die Steinblöcke saßen fest, gaben nicht nach.
    »Das Pergament!«, schrie Gaspare.
    Raoul wandte den Kopf. Das vordere Drittel des Raums brannte - ein kniehoher Teppich aus roten, gelben, orangefarbenen Flammen. Raoul half Gaspare, die Schriftstücke nach hinten zu schaufeln, um eine Gasse zu schaffen. Doch er wusste, dass die Zeit, die sie damit gewannen, verschwindend gering war, denn das Gerüst über den Tunnelöffnungen stand bereits in Flammen.
    Erneut setzten sie die Ramme an, ließen den Balken mit all ihrer Kraft gegen die Mauer prallen, fünf Mal, zehn Mal. Ein Block lockerte sich, etwas Mörtel rieselte zu Boden. Doch das war alles.
    Heiße Luft brannte Raoul in den Lungen. Das Feuer, die Wände, alles schien zu wanken und verschwamm vor

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