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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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waren nur zu dritt - zu viert, wenn man Michele mitrechnete, der ihnen aber im Kampf kaum eine Hilfe sein würde. Um Erfolg gegen diese erdrückende Übermacht von kampferprobten Männern zu haben, mussten sie sich die Gegebenheiten des Ortes, an dem die Söldner nach der Schriftrolle suchten, zu
Nutze machen. Raoul glaubte, dass ihr Plan gelingen könnte; allerdings machte er sich Sorgen wegen Gaspare. Der Toskaner versuchte, sich seine Furcht vor dem Gefecht nicht anmerken zu lassen, doch es war ihm anzusehen, wie er mit jeder Stunde unruhiger wurde. Raoul machte ihm Mut, in der Hoffnung, dass die Furcht seinen Freund nicht im entscheidenden Augenblick übermannte.
    Bei einem Waffenschmied am Forum Theodosius kaufte Battista die besten Waffen, die er finden konnte. So gerüstet, folgten sie am frühen Abend einem Straßenzug entlang der Theodosianischen Mauer. Die umstehenden Gebäude waren verlassen oder wurden von Bettlern bewohnt, die sich in die dunklen Torbögen und Mauerbreschen zurückzogen, als sich die Gruppe näherte.
    Vor einem Hoftor mit weitem Rundbogen, unter dem von Büschen bewachsener Schutt lagerte, blieb Michele stehen und blickte auf das Pergament. »Dort, am Ende der Straße. Der Hundsturm.«
    Die Theodosianische Mauer ragte vor ihnen sieben Mannslängen hoch; die Türme standen in einem Abstand von einem Steinwurf. Der Hundsturm war sechseckig und kleiner als die benachbarten, gedrungen in seiner Bauweise und an der Seite, die der Stadt zugewandt war, von einer lange zurückliegenden Feuersbrunst geschwärzt. Er war ein toter Turm - ohne Fenster, Schießscharten und erkennbare Eingänge, weshalb er von den kaiserlichen Truppen nicht benutzt wurde. Da die Wände ein Dutzend Ellen dick waren und nur wenige Menschen den verborgenen Eingang kannten, hatte er sich als Versteck für die Schriftstücke geeignet.
    »Wieso heißt er so?«, fragte Gaspare.
    Michele gab keine Antwort. Der grauhaarige Diener wirkte zerstreut und ängstlich. Er sah abermals auf die Aufzeichnungen seines Herrn und sagte: »Ich glaube, wir müssen da lang.«
    Er führte sie zu einem rechteckigen Bauwerk aus schmutzigem,
gesprungenem Marmor. Säulen, von denen eine umgestürzt war, säumten die breite Treppe zum Eingang. Ein Türflügel hing schief in den Angeln, der andere fehlte. Raouls Blick glitt über die angrenzenden Gebäude: über schwarze Fensterschlitze, baufällige Brüstungen vor dunklen Maueröffnungen, Schuttberge und Statuen, denen Zeit und Witterung die Gesichter abgeschliffen hatten. Er hatte das Gefühl, unsichtbare Augen belauerten ihn. Gerade wollte er es als Einbildung abtun, als er bemerkte, dass Battista ebenfalls die verlassenen Ruinen argwöhnisch beobachtete. Schließlich wandte sich der Venezianer ruckartig um, zog sein Schwert und ging mit blanker Klinge voraus in das Innere des Bauwerks. Raoul warf einen letzten Blick in Richtung des klaffenden Mauerrisses, wo er eine Bewegung vermutet hatte, dann zückte er ebenfalls seine Waffe und folgte Battista.
    Das Gebäude musste einmal ein Badehaus gewesen sein, denn im ersten Hof befand sich ein großes Becken. Schräge Pfeile aus Sonnenlicht fielen durch kleine Fenster hoch oben in den Wänden und ein klaffendes Loch in der Decke. Die Trümmer waren ins Becken gefallen und bedeckten den Mosaikboden. Unter dem Schutt erkannte Raoul Bilder von Sirenen und Nymphen. Zahlreiche Durchgänge führten zu Entkleidekammern und Räumen mit kleineren Becken.
    Es war niemand zu sehen oder zu hören.
    Battista öffnete den Sack, den er bisher auf dem Rücken verschnürt getragen hatte, und verteilte die Waffen und Rüstungen. Raoul und der Venezianer schlüpften in Panzerhemden aus tausenden von fein geschmiedeten, überlappenden Schuppen und setzten spitz zulaufende Helme mit Nasen- und Nackenschutz auf. Gaspare nahm nur einen Helm, denn er hielt nichts von Rüstungen. Danach spannten sie die vier Armbrüste und legten Bolzen ein.
    Währenddessen sah Michele sich um. Ein Dolch war die einzige Waffe, die er bereit gewesen war anzunehmen. Er sollte
dem kleinen Mann ermöglichen, sich im Notfall zu verteidigen - wenngleich sie alle wussten, dass in einem Kampf mit al-Munahids Männern ihm auch der Dolch nichts mehr nutzen würde. Daher hatte Raoul ihm eingeschärft, sich immer hinter ihnen zu halten.
    Der Diener führte sie zu einer stickigen, fensterlosen Kammer, in der eine Treppe nach unten führte. Stiefelspuren in der dicken Staubschicht wiesen darauf hin, dass

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