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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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Deutschland sei ein großes, wichtiges Land, das uns obendrein alle Türen geöffnet habe – wir müssten nur noch hindurchgehen. Die Unterstützung der deutschen Politiker sei uns zwar sicher, jetzt gehe es aber in erster Linie um die Unterstützung seitens der deutschen Wirtschaft. »Die wirst du organisieren«, sagte er. Ich war nicht begeistert. Entziehen konnte ich mich dem Auftrag Arafats indes nicht. Also besprachen wir im Einzelnen, wie unter den neuen Verhältnissen von Bonn aus vorzugehen wäre, und kamen zu dem Ergebnis: Wir ergreifen auch den kleinsten Finger, der uns gereicht wird. Jeder, der in Deutschland Interesse an Palästina bekundet, von jeder Partei, jeder Hilfsorganisation, jeder Kirche, jeder Stiftung, wird nach Palästina eingeladen und von Arafat empfangen. Er, Arafat, werde sich für jeden Gast aus Deutschland Zeit nehmen.
    Arafats strategische Überlegungen leuchteten mir ein. Wir brauchten unter den Europäern verlässliche Partner – vor allem angesichts der Herausforderung, ein funktionierendes Staatswesen gewissermaßen aus dem Boden zu stampfen. Ich teilte Arafats Einschätzung, dass die Deutschen bereit wären, die Rolle eines zuverlässigen Partners zu übernehmen; dann würde man auch jemanden brauchen, der die deutsch-palästinensische Zusammenarbeit ankurbelt und koordiniert.
    Natürlich brach ich meine Zelte in Gaza, die ich eben erst aufgeschlagen hatte, wieder ab und ging zurück nach Deutschland. Schließlich konnte ich jederzeit für Tage oder Wochen in Gaza Zwischenstation machen – und tat es auch. Mit Benita, die mal Baschar, mal Muna mitbrachte, mit deutschen Freunden, mit Staatsgästen vor allem.
    Tatsächlich waren es von allen Europäern die Deutschen, die sich nach 1994 am häufigsten in Palästina sehen ließen.
Als hätten sie nur darauf gewartet. Und selbstverständlich wollte jeder, der kam, Arafat treffen, der nun auch wirklich jeden empfing. Das galt genauso für Gäste aus anderen Ländern, doch mit deutschen Besuchern hatte Arafat bei Weitem am häufigsten zu tun. Vielleicht war das auch historisch zu erklären, denn schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten die Deutschen im alten Palästina zahlreiche Einrichtungen ins Leben gerufen und Kirchen, Krankenhäuser und Schulen wie die Schmidt-Schule oder die Talita-Kumi-Schule, beide in Ost-Jerusalem, gebaut. Jedenfalls unterhielt die palästinensische Verwaltung schon bald zu keinem Land der westlichen Welt bessere und intensivere Beziehungen als zur Bundesrepublik.
    Die Deutschen nahmen sich der jahrzehntelang vernachlässigten Infrastruktur des Gazastreifens und des Westjordanlands an und bauten in den folgenden Jahren Klärwerke, Tiefbrunnen, Müllverbrennungsanlagen und Straßen. Die Städte Ramallah und Hebron verdanken ihre Trinkwasserversorgung der Bundesrepublik. Deutsche Experten halfen, die Verwaltung der Autonomiebehörde aufzubauen, schulten Beamte, bildeten Polizisten aus. GIZ (Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, früher GTZ) und KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) engagieren sich bis heute stark in Palästina, die SPD-Politikerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ließ als Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf ihren ersten Besuch in Palästina einen zweiten folgen. Und ich hatte das Gefühl, dass meine Arbeit in Deutschland bisher lediglich ein Vorspiel gewesen war, dass sich nun alle Erfahrungen auszahlten, die ich seit 1962 gesammelt hatte. Viele Besucher nahm ich persönlich in Palästina in Empfang, flog ein paar Tage vorher hin, besprach mit unseren Leuten das Programm, und dann konnten sich beide Seiten darauf verlassen, dass es zu einer herzlichen und fruchtbaren Begegnung kommen würde.

    Obwohl mittlerweile über siebzig, ließ Hans-Jürgen Wischnewski in seinem leidenschaftlichen Engagement für die palästinensische Sache nicht nach. Schon bei Arafats erstem Besuch in Bonn hatte er aus dem Hintergrund Regie geführt, war allgegenwärtig, blieb einfach sitzen, wenn die eine Besuchergruppe ging, und saß schon da, wenn die nächste kam. Nach 1994 nutzte er jede Gelegenheit, sich in Palästina umzusehen, als Mitglied offizieller Delegationen oder als mein persönlicher Gast in Gaza.
    Eines Tages lud er den Bürgermeister von Bethlehem nach Deutschland ein und stellte ihn Norbert Burger vor, dem Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Köln. Aus dieser Begegnung ergab sich 1996 die Idee einer Städtepartnerschft zwischen Bethlehem und Köln, der

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