Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
Brenner’s Park-Hotel, wo 1963 schon Adenauer und de Gaulle abgestiegen waren und sich der Direktor Richard Schmitz nun persönlich um sein Wohlbefinden kümmerte.
Nach einem Gespräch unter sechs Augen hatte Arafat darauf bestanden, König Hussein zu seinem Auto zu begleiten, Peres schloss sich den beiden an, und als sie gemeinsam das Hotel verließen, sahen sie sich trotz der späten Stunde einer dichten Menschenmenge gegenüber, die bei ihrem Anblick prompt in Arafat!-Arafat!-Rufe ausbrach. Die einseitigen Sympathiekundgebungen brachten Arafat vielleicht nicht gerade in Verlegenheit, ließen ihm aber doch – wenigstens König Hussein gegenüber – eine Geste diplomatischen Feingefühls geraten erscheinen. Er nahm seinen alten Widersacher König Hussein also bei der Hand und machte mit ihm ein paar Schritte auf die Menge zu. Hussein, der Arafat an Charisma nicht viel nachstand, ließ sich diese brüderliche Geste gefallen, wandte sich ihm dann zu und sagte lächelnd: »Abu Amar, mir scheint, dich kennt hier wirklich jeder …« Arafat winkte ab. »Nein, nein«, entgegnete er in seiner typischen Art, also durchaus herzlich, aber eben auch mit unverkennbarem Vergnügen an einer Situation, in der er seinen Charme ausspielen konnte, »all diese Menschen sind gekommen, um dich zu sehen.«
Die drei gingen dann, sehr zum Missfallen der Sicherheitsleute, gemächlichen Schrittes durch die freudig-erregte Menge, bis die Wagenkolonne Husseins erreicht war – Peres übrigens mit einer Miene, die verriet, dass er von den anhaltenden Arafat!-Rufen nicht sonderlich erbaut war.
Erez Israel
Die Zeit des Hoffens und Träumens währte ganze zwei Jahre, von der Unterzeichnung des Oslo-Abkommens bis zu dem Tag, als Rabin auf einem nächtlichen Parkplatz in Tel Aviv von drei Schüssen in den Rücken getroffen wurde. Der Albtraum war nur unterbrochen, aber nicht von uns genommen. Nach Rabins Tod drängten in Israel Kräfte an die Oberfläche, in denen der alte Geist eines militanten Zionismus lebendig war, Kräfte, denen Frieden wenig und Land alles bedeutete. Sicher, auch Arafat machte Fehler – ich werde darauf zu sprechen kommen. Entscheidender für das Scheitern unserer Hoffnungen aber war, dass Israel von nun an nicht mehr den guten Willen aufbrachte, den wir bei den Verhandlungen in Oslo vorausgesetzt hatten. Stattdessen erlebten wir Regierungen, die ausschließlich in den militärischen Kategorien der Feindschaft, ja der Todfeindschaft dachten.
Aber der Reihe nach. Das Jahr 1994 endete mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an Arafat, Rabin und Peres. Ich bedauerte, dass Abu Mazen, der Vater des Vertrags von Oslo, übergangen worden war, maß dem Preis aber keine große Bedeutung bei. Größere Aufmerksamkeit verdienten meiner Ansicht nach die israelischen Reaktionen auf die Preisverleihung: Rabin und Peres würden Schande über das Volk Israel bringen, indem sie sich den Preis mit einem Mörder teilen, ließ sich der Likud vernehmen. Mit dem »Mörder« war natürlich Arafat gemeint, der Mann, dessen Friedenspolitik von manchem im eigenen Lager als waghalsig, zumindest als vertrauensselig beurteilt wurde.
Rabin sah sich von nun an einer Hetzkampagne ausgesetzt. Die Anhänger Groß-Israels bezeichneten ihn als »Lakaien Arafats«, verglichen ihn mit Hitler und riefen dazu auf, ihn zu ermorden. Rabins Privathaus in Tel Aviv wurde Abend für Abend von militanten Nationalisten belagert, die in Sprechchören damit drohten, ihn aufzuhängen. Einmal wurde das Auto, in dem Rabin saß, von einer wütenden Menschenmenge angegriffen und durchgeschüttelt – ich sehe noch die Fernsehbilder vor mir, die Rabins versteinertes Gesicht hinter der Scheibe zeigten. Zu den schlimmsten Hasstiraden aber verstiegen sich zwei Männer, die schon bald die Regierungsgeschäfte in Israel übernehmen sollten, Benjamin Netanjahu und Ariel Scharon. In ihren Reden öffnete sich der Schlund der Hölle wie auf mittelalterlichen Darstellungen des Jüngsten Gerichts: Ein neues Auschwitz drohe, die Liquidation der israelischen Juden stehe bevor. Auf Demonstrationen führten ihre Anhänger Plakate mit, die den »Verräter« Rabin mal in der Uniform des SS-Führers Himmler, mal mit dem Palästinensertuch Arafats zeigten.
Wenn man verstehen will, welche Gefühle sich im Israel dieser Monate Bahn brachen, muss man die Argumentation der Rabin-Gegner näher in Augenschein nehmen. Da war zunächst das Wortpaar »Mörder – Verräter«, das sich
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