Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
anderem als Feldherr im Libanonkrieg von 1982, Barak vor allem als Chefplaner diverser Mordaktionen. Während Scharon unverhohlen feindlich auftrat – auch in der israelischen Öffentlichkeit überwog bei ihm der Eindruck der Brutalität –, verstand es Ehud Barak, sich als Mitglied der Arbeiterpartei lange Zeit ein liberales Mäntelchen umzuhängen. Tatsächlich hatte Barak in der Arbeiterpartei jedoch schon immer eine extremistische Außenseiterposition eingenommen und beispielsweise als Einziger gegen das Oslo-Abkommen gestimmt. Darum war es nur folgerichtig, dass er 2010 die Arbeiterpartei verließ und eine neue Partei gründete, die sich umgehend Netanjahu als Koalitionspartner andiente. Ich habe Barak in Interviews gelegentlich als Mini-Scharon bezeichnet, weil beide in ihrer Haltung gegenüber den Palästinensern keinen Unterschied erkennen ließen. Beide kannten nur die eiserne Faust; für beide spielte die Zahl der Opfer überhaupt keine Rolle, solange es sich
nicht um Israelis handelte; beide waren, was Rücksichtslosigkeit angeht, vom selben Schlag.
Die politische Praxis Netanjahus ist hinreichend beschrieben , wenn man sagt, dass er jede Hoffnung auf Zusammenarbeit zunichtemachte. Im Folgeabkommen zum Oslo-Vertrag sah er eine »tödliche Falle für den jüdischen (!) Staat«. Formal daran gebunden, entwickelte er einen enormen Einfallsreichtum, sich seinen Verpflichtungen zu entziehen, stellte die Treffen mit Arafat ein und trieb den Siedlungsbau voran. Um eine Vorstellung davon zu geben, was das bedeutete, nur eine Zahl: Die 5000 jüdischen Siedler im Gazastreifen verbrauchten 40 Prozent des Wassers, eine Million Palästinenser teilten sich den Rest. Von den Amerikanern zu Gesten des Entgegenkommens gedrängt, ließ sich Netanjahu schließlich auf eine Begegnung mit Arafat im Grenzort Erez ein, an der ich teilnahm – sie verlief in eisiger Atmosphäre. Selbst der stets zuversichtliche Arafat war danach niedergeschlagen. Als wir später beisammensaßen, fasste er seinen Eindruck kopfschüttelnd in den Worten zusammen:«Er ist kein Partner für uns.«
Auch die Deutschen machten jetzt ihre Erfahrungen mit Netanjahu. An dieser Stelle seien zwei Beispiele dafür angeführt, wie Israel nun gegenüber Ausländern verfuhr, die durch ihr Engagement für Palästina auffielen.
Im ersten Fall hatte das Verteidigungsministerium den großzügigen Entschluss gefasst, die vollständige Ausstattung des Bundeswehrkrankenhauses Gießen im Wert von 7 Millionen DM den Palästinensern zu schenken. Sie sollte einem Krankenhaus in Khan Yunis im Gazastreifen zugute kommen und umfasste wirklich alles, vom Verbandsstoff über Krankenwagen bis zu Röntgen- und Ultraschallgeräten. Das Auswärtige Amt erklärte sich sogar bereit, die Frachtkosten zu übernehmen, die noch einmal mit 3,1 Millionen DM zu Buche schlugen. Das Ganze sollte in zwei Tranchen auf dem Seeweg
nach Israel geschafft und dann über Land nach Khan Yunis transportiert werden.
Die erste Lieferung im Herbst 1996 verlief glatt. Bei der zweiten im Frühjahr 1998, die sich durch israelischen Widerstand ohnehin verzögert hatte, bestanden die Israelis bei der Einfuhr auf einer »Sicherheitsprüfung«. Als Nächstes machte sich der israelische Zoll daran, die Verpackungen mit Brecheisen zu zerstören und den Inhalt herauszureißen. Die deutschen Transportbegleiter erhielten die entnommenen Teile zwar zurück, aber zerlegt und wild durcheinandergewürfelt, sodass Fachkräfte eingeflogen werden mussten, die dann eine Woche lang damit beschäftigt waren, die demontierten Einzelteile zu identifizieren, zu sortieren und wieder zusammenzusetzen.
Die Israelis, die es auf dem Gebiet der kleinlichen Schikane gegenüber den Palästinensern längst zur Meisterschaft gebracht hatten, verschonten jetzt nicht einmal mehr europäische Lieferanten von Hilfsgütern mit ihrer Politik der Einschüchterung. Derselben Abschreckungslogik hatte schon die Zerstörung der Lesegeräte für palästinensische Pässe zwei Jahre zuvor gehorcht. Immerhin ging es in diesem Fall schließlich gut aus: Was wir von der Bundeswehr geschenkt bekommen hatten, reichte sogar für zwei Krankenhäuser – eines in Khan Yunis und eines in Gaza-Stadt. Am meisten verdankten die Patienten dieser Krankenhäuser Willibald Herchenbach (Bundesministerium für Verteidigung), Dr. Günter Mullak (Auswärtiges Amt) und Dr. Volker Beck (BMV).
Wer als Ausländer nach Palästina kam, musste damit rechnen, von den
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