Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
palästinensische Interessenvertretung aufzubauen. Was in Europa
gelang, scheiterte in Amerika trotz der großen Zahl palästinensischer Einwanderer. Dieses Feld haben wir Palästinenser der hervorragend organisierten jüdischen Lobby fast kampflos überlassen. Ausschlaggebend aber ist wahrscheinlich die dritte Ursache: Die Grundstimmung der amerikanischen Gesellschaft ist zutiefst proisraelisch, denn die USA sind dasjenige Land, in dem die Israelis vom Nimbus des Gottesvolkes in besonderem Maße profitieren.
Schauen wir uns die Entstehungsgeschichte der USA an. Schon die frühen protestantischen Einwanderer lasen mehr im Alten als im Neuen Testament, wenn sie die Bibel studierten. Und von Anfang an ergab sich für diese Einwanderer eine Geistesverwandtschaft mit den Israeliten, die auf dem gemeinsamen Schicksal der Landsuche und der Landnahme beruhte. Der amerikanische Kontinent erschien den einwandernden Europäern im selben Licht wie den Israeliten das verheißene Land Kanaan, und sich selbst verglichen sie mit den Kindern Israel, die sich ihren von Gott zugewiesenen Platz erkämpfen und erarbeiten müssen – dort das Gelobte Land, hier »God’s own country«. Die Identifikation mit dem biblischen Volk Israel bildete sich schon früh heraus, und die Vorstellungswelt der bibeltreuen und bibelfesten Evangelikalen Nordamerikas ist bis heute von solchen Assoziationen geprägt.
Doch nicht nur die weißen Amerikaner griffen am liebsten auf das Volk Israel zurück, wenn sie eine historische Parallele für ihr Schicksal und ihren historischen Auftrag suchten. Ähnlich verfuhren auch die Schwarzen Amerikas, als sie begannen, gegen die Rassentrennung aufzubegehren. Martin Luther King bediente sich in seiner bilderreichen Sprache immer wieder des Alten Testaments, wo er in dem Befreier Moses und dem Zug der Kinder Israel durch die Wüste zum Gelobten Land ein Vorbild für die Entwicklung der Schwarzen von Sklaven zu gleichberechtigten Bürgern fand, wo er
mithin eine Schicksalsverwandtschaft zwischen Israeliten und schwarzen Amerikanern entdeckte.
Mit anderen Worten: Gegen die kulturell begründete Vorliebe seiner Landsleute für Israel kann ein amerikanischer Präsident genauso wenig Politik betreiben wie gegen die Interessen seiner jüdischen Wähler. Gleichwohl hing die amerikanische Nahostpolitik bis zu einem bestimmten Grad natürlich immer auch vom jeweiligen Präsidenten ab. Clinton arbeitete zum Beispiel zeitweilig durchaus ernsthaft auf eine Verständigung zwischen Palästinensern und Israelis hin (auch wenn er nicht bereit war, dafür den Preis der Aufrichtigkeit zu zahlen). Auch Eisenhower, Kennedy und Bush senior zählen für mich zu jenen Präsidenten, die in ihrer Nahostpolitik zumindest auf einen gewissen Abstand zu Israel bedacht waren.
Zunächst zu Dwight D. Eisenhower (1953–1961): Als England, Frankreich und Israel im Suezkrieg 1957 Ägypten überfielen, hatten sie die Amerikaner nicht über ihr Vorgehen informiert. Eisenhower fühlte sich von den Israelis, die erhebliche finanzielle und militärische Unterstützung aus den USA erhielten, hintergangen und ausgenutzt, und gemeinsam mit der Sowjetunion erwirkte er einen Beschluss im Weltsicherheitsrat, der den Angriff auf Ägypten verurteilte. Israel war daraufhin gezwungen, sich zurückzuziehen. Sein Nachfolger John F. Kennedy (1961–1963) wiederum war entschlossen, die Israelis am Bau einer Atombombe zu hindern. Um das israelische Atomprogramm schon im Anfangsstadium zu unterbinden, schickte er sogar eine Untersuchungskommission nach Israel. Zwar verstanden es die Israelis, Kennedy zu täuschen, doch hatte er immerhin den Versuch gemacht, sich aus dem Würgegriff der Israelis zu befreien. Dann wurde er erschossen. Bis heute konnten die Hintergründe dieses Mordes nicht aufgeklärt werden.
Kennedys Nachfolger Lyndon B. Johnson (1993–1969) schwenkte dann ganz auf die israelische Linie ein, als er sich
an der Planung des Sechstagekriegs von 1967 beteiligte und Israel jede Art von Beistand leistete, weil er Nasser loswerden wollte. Von da an stützten sich die USA in ihrer Nahostpolitik durchweg auf die tatkräftige Hilfe ihres Verbündeten Israel. Es war George Bush senior (1989–1993), der als Erster wieder Anstrengungen unternahm, eine Balance zwischen Israel und den arabischen Ländern herzustellen, weil die USA nach dem Einmarsch der Sowjets in Afghanistan auf die Unterstützung der Araber gegen die Rote Armee angewiesen waren. Bin Laden
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