Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
wenn sie überhaupt mit uns redeten. Wie hatte es Arafat genannt, als Rabin noch lebte? Den »Frieden der Mutigen«. Und zweifellos, angesichts der Anfeindungen, denen beide innerhalb des eigenen Lagers ausgesetzt waren, brauchte es mehr Mut zum Frieden als zum Krieg. Rabins Nachfolger brachten diesen Mut zum Frieden nicht mehr auf. Oder sollte man sagen: Sie brachten das Interesse am Frieden nicht mehr auf?
Die drei Ministerpräsidenten, die nun nacheinander die israelische Politik prägten, Benjamin Netanjahu (1996–1999), Ehud Barak (1999–2001) und Ariel Scharon (2001–2006), verfolgten jedenfalls ein einziges Ziel: alle Ansätze zu einem Staat Palästina im Keim zu ersticken. Für alle drei war das Abkommen von Oslo nur noch ein Aushängeschild, unter dem sie eine Politik betrieben, die in allen Punkten gegen dieses Abkommen verstieß. Und auch ihre Strategie war dieselbe: In allen öffentlichen Bekundungen bejahten sie einen Palästinenserstaat, da es in einer Welt, die diesen Staat seit Jahren forderte, nicht gut ankam, ihn rundweg abzulehnen – sobald es aber um Schritte zur Verwirklichung dieses Staates ging, stellten sie Bedingungen, die auf seine Verhinderung hinausliefen. Und unterdessen bemächtigten sie sich Quadratmeter um Quadratmeter jenes Bodens, auf dem wir unseren Staat gründen wollten. Mit ihrer Siedlungspolitik betrieben sie eine schleichende Eroberung des Westjordanlands, die viel weniger Empörung auslöste, als Militäraktionen hervorgerufen
hätten, und daher bedeutend effektiver war. Bis zum heutigen Tag hat sich nichts daran geändert. Weiterhin verfolgt Netanjahu die Taktik, sich einerseits mit einem Palästinenserstaat einverstanden zu erklären und ihn andererseits an unannehmbare Bedingungen zu knüpfen, weiterhin treibt er die Landnahme unter der euphemistischen Bezeichnung des Siedlungsbaus voran. Das »Ja, aber« Netanjahus bedeutete zu keiner Zeit etwas anderes als ein »Nein, niemals«.
Die Schwierigkeiten, denen sich die palästinensische Politik von nun an gegenübersah, müssen vor dem Hintergrund der Ideologie gesehen werden, der sich diese drei Männer veschrieben hatten. Netanjahu ist in dieser Hinsicht ein besonders aufschlussreicher Fall, denn sein Vater war ein enger Freund und Weggefährte von Wladimir Zeev Jabotinsky, dem unerbittlichen Ultra-Zionisten und Chef-Ideologen von Erez Israel, dem Gründer der Jüdischen Legion im Ersten Weltkrieg, für den wir Palästinenser schlichtweg nicht existierten. Wie Jabotinsky träumte man im Elternhaus Benjamin Netanjahus von einem Großreich Israel in den Grenzen eines legendären Vorgängerreichs, das vor knapp drei Jahrtausenden untergegangen war. Netanjahu wuchs also im Klima eines aggressiven jüdischen Nationalismus auf, und dem Vernehmen nach fungiert sein Vater Benzion Netanjahu, der als über Hundertjähriger in Amerika lebt, bis auf den heutigen Tag als der wichtigste Ratgeber seines Sohnes.
In der Welt der radikalen Zionisten dreht sich alles um Erez Israel. Ursprünglich ist damit das Gelobte Land gemeint, dessen Besitz den Erzvätern von Gott selbst in Aussicht gestellt worden war. Wie wir schon mehrfach gesehen haben, begründet diese Verheißung die zionistische Vorstellung eines Staatsgebiets, das als Geschenk Gottes betrachtet wird und daher für alle Zeiten von Juden beansprucht werden darf. Heute ist Erez Israel die Chiffre für einen israelischen Staat in seiner größtmöglichen Ausdehnung. Ein Staat Palästina ist in dieser
Vorstellungswelt nicht vorgesehen, ja, im Grunde genommen haben nicht einmal Palästinenser darin Platz. Letzlich begegnen wir hier demselben Denken, das zur Kolonialisierung Afrikas und Asiens, zur Auslöschung der indianischen Kultur Amerikas und zur Entmündigung der Ureinwohner Australiens geführt hat. Das Weltbild der Zionisten war von der europäischen Arroganz des 19. Jahrhunderts geprägt, und wenn sie die Bewohner Palästinas überhaupt zur Kenntnis nahmen, dann nicht als Volk, sondern allenfalls als rückständige, unterentwickelte Bevölkerung, die sich bald mit einem Staat Israel abfinden würde – oder der überlegenen Zivilisation zu weichen hätte.
Barak und Scharon teilten die Position Netanjahus gegenüber den Palästinensern, hatten im Unterschied zu ihm aber eine militärische Karriere absolviert und waren schon als junge Offiziere an Kommandounternehmen gegen Palästinenser beteiligt gewesen. Beide waren bereits in Erscheinung getreten – Scharon unter
Weitere Kostenlose Bücher