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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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Motorengeräusch von weit her, aber in der Stille deutlich vernehmbar. Es war ein sonores Brummen wie von einer Lkw-Kolonne. Kurz darauf sahen wir Jeeps und Militärlaster in einer langen Reihe über eine Hügelkuppe auf uns zukommen, sicherlich ein Dutzend Fahrzeuge, und damit fand unser Kampfeinsatz ein Ende, noch bevor wir dazu gekommen waren, den ersten Schuss abzugeben (sieht man von dem ab, der sich beim Aussteigen versehentlich gelöst hatte).
    Im Gefängnis von Jericho wurde uns klar, dass die Israelis an diesem Tag, dem 5. August, die ganze Gegend durchkämmten und jeden Zivilisten gefangen nahmen, der sich auf der Straße zeigte. In unserer Gefängniszelle saßen wir mit mindestens dreißig anderen. Noch glaubte ich allerdings, nichts zu befürchten zu haben. Zweifellos befanden wir uns in einer ungemütlichen Lage, schon wegen der Enge, der Hitze, des Drecks, des Gestanks in der Zelle, aber Sorgen machte
ich mir keine – was konnten sie uns schon nachweisen? Irgendwann riefen sie Hammad heraus. Später verlangte ich, zu einem Arzt gebracht zu werden, weil ich seit der ersten Nacht im Freien Schwierigkeiten mit dem Wasserlassen hatte. Es war ein altes Gefängnis der Engländer, die Zellen gingen alle von einem Innenhof ab und hatten Gittertüren aus Eisenstäben. Auf dem Rückweg vom Arzt entdeckte ich hinter einer dieser Türen Hammad. Vielleicht wusste er inzwischen mehr. Ich blieb kurz bei ihm stehen. »Sie haben alle verhaftet«, murmelte er. »Sie haben auch die Waffen gefunden. Wir sind verraten worden.« In diesem Augenblick befiel mich wie eine plötzliche Übelkeit die Angst.
    Am späten Nachmittag holten sie mich aus meiner Zelle und führten mich in einen größeren Innenhof voller Soldaten, die alle gleichzeitig ihre Gewehre auf mich anlegten. In ihrer Mitte saß ein Offizier auf einer Apfelsinenkiste. Meine Wächter dirigierten mich zu ihm, und als ich vor ihm stand, wandte er sich in einem polnisch gefärbten Deutsch an mich: »Siehst du das hier?« Er machte eine Handbewegung, als wollte er mir seine Kompanie vorstellen. »Ein Fluchtversuch, und du bist tot.« Dann bemerkte ich, wie Zuhair neben mich trat; auch ihm stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Im nächsten Moment fesselten uns Soldaten mit Handschellen aneinander und führten uns ab, und nach zwei Stunden bangen Wartens wurden wir bei Einbruch der Nacht in einen Jeep gesetzt.
    Die Fahrt dauerte ewig. Die Ungewissheit über ihr Ziel und die Befürchtung, dass sie ein schlimmes Ende nehmen werde, können aus einer kurzen Reise eine sehr lange machen. Als wir schließlich im Gefängnis von Hebron ankamen, rechnete ich damit, zusammengeschlagen zu werden, aber nichts dergleichen geschah. Zuhair und ich wurden in eine Zelle gesperrt, und in derselben Nacht noch wurde ich zum Verhör geholt.

    Der Geheimdienstmann, dem ich für die nächsten Stunden gegenübersaß, hatte nichts von einem brutalen Verhörspezialisten an sich. Er war ein seriöser älterer Herr, eine durchaus Vertrauen erweckende Erscheinung. Er sprach reinstes palästinensisches Arabisch, und er eröffnete das Verhör mit einem Überraschungsangriff. »Was ist bloß aus dir geworden?«, begann er, beinahe väterlich besorgt. »Wieso lungerst du hier herum und spielst den Wegelagerer? Hat dich dein Vater nicht nach Deutschland geschickt, damit du Medizin studierst? Stattdessen tauchst du hier mit einer Waffe auf. Was willst du mit dieser Waffe? Wozu, glaubst du, kann dir ein Gewehr nützen?« Er fragte mich nach meinem Auftrag. Ich tischte ihm die Geschichte vom besorgten Sohn auf, der seine Eltern besuchen will, und spürte, wie mir der Mund trocken wurde.
    So trocken, dass ich kaum ein Wort mehr herausbrachte. Ob ich ein Glas Wasser haben könne, fragte ich ihn. »Wasser? Warum?«, wollte er wissen. Ich sagte es ihm. »Weißt du, warum einem der Mund austrocknet?«, hakte er nach. »Weil man Angst hat«, sagte ich. »Nein, weil man lügt.« Gut, ich erhielt mein Glas Wasser, und dann legte er los. Er schien alles über mich zu wissen. Er überrumpelte mich mit immer neuen und durchaus zutreffenden Einzelheiten aus meinem Leben in Frankfurt; selbst meine Frühstücksgewohnheiten behauptete er zu kennen. In dieser Hinsicht kann man sich auf die Israelis wirklich verlassen – alles, was sie anfassen, ist von langer Hand vorbereitet und perfekt geplant. Trotzdem machte er einen Fehler. Er ließ einfließen, dass ich ein guter und fleißiger Student sei, und da

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