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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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verstand ich: Hundertprozentig zuverlässig waren auch seine Informationen nicht.
    Ich überlegte. Sie hatten uns alle verhaftet. Sie hatten unsere Waffen gefunden. Eigentlich gab es keinen Grund mehr, irgendetwas abzustreiten. Warum bekannte ich mich nicht zu unseren Absichten? Was hinderte mich noch, ihm die Wahrheit zu sagen? Ich fasste mir ein Herz. »Wir sind gekommen,
um gegen Israel zu kämpfen«, sagte ich – und das Erstaunliche geschah: Er ließ sich auf eine Diskussion mit mir ein, eine Debatte über Sinn und Unsinn des palästinensischen Widerstands. Und während er sich alle Mühe gab, mich von der Aussichtslosigkeit unseres Kampfs zu überzeugen, vertrat ich meinen Standpunkt, ließ mich nicht einschüchtern, gab nicht nach und fand mit der Zeit tatsächlich zu immer größerer Selbstsicherheit zurück. Ich gewann sogar den Eindruck, dass er mich ernst nahm. Ernster als zu Beginn des Verhörs jedenfalls.
    Als ich vom Verhör zurückkam, war Zuhair nicht allein in der Zelle. Sie hatten Adnan gebracht, den Pechvogel, aus dessen Waffe sich in der ersten Nacht der Schuss gelöst hatte. Adnan sah übel zugerichtet aus. Er war als Erster verhaftet und zusammengeschlagen worden. Ich berichtete vom Verlauf meines Verhörs und verschwieg auch nicht, dass ich mich zu unseren Absichten und Zielen bekannt hatte. Anderntags wurde Said, ein weiterer aus unserer Gruppe, in unsere Zelle gesteckt, und gemeinsam legten wir die Strategie fest, die wir bei allen künftigen Verhören verfolgen wollten, nämlich die Grundideen der Fatah konsequent zu vertreten und nach jedem Verhör die anderen über alles zu unterrichten, was zur Sprache gekommen war. So hielten wir es von nun an – und diskutierten hinterher in der Zelle stundenlang, wie unsere Strategie noch zu verbessern wäre. Die gute, alte Frankfurter Schule …
    Jedes Mal war die erste Frage: »Warum seid ihr gekommen?« Und jedes Mal war unsere letzte Frage: »Warum seid ihr gekommen?« Und in den nächsten Wochen wurden wir immer gelassener, selbstsicherer, sodass uns die Frage, was sie mit uns vorhatten, kaum noch beunruhigte. Aber auch die Israelis änderten ihr Verhalten und behandelten uns mit wachsendem Respekt. Gewiss, als Partisanen hatten wir kläglich versagt, dennoch dürften sie Gefangene wie uns noch nie erlebt
haben: palästinensische Studenten aus Europa, aus Deutschland, die ein gutes Leben hinter sich gelassen und allerhand auf sich genommen hatten, um ihren Beitrag zur Befreiung Palästinas zu leisten, die ihrer Sache sicher und obendrein diskussionserprobt waren, abgehärtet durch lange Frankfurter Nächte. Sie begannen, sich ernsthaft für uns zu interessieren, und wechselten die Taktik. Mit einem Mal saß uns bei den Verhören kein Offizier mehr gegenüber, sondern ein Historiker, ein Professor für arabische Geschichte, ein Professor für die Geschichte des Judentums, ein Psychologe, ein Militärexperte, also Fachleute, die zwar alle für den Geheimdienst arbeiteten, aber statt uns auszufragen Vorträge hielten, Vorträge über die Hintergründe und Auswirkungen des Nahostkonflikts. Wir hatten sie dazu gebracht, uns beinahe wie ihresgleichen zu behandeln. Nach zwei Monaten wurden wir ein weiteres Mal verlegt, von Hebron ins Gefängnis von Bethlehem, und hier gingen sie wieder anders und noch raffinierter vor.
    Bei dem täglichen Prozedere, das nun in keiner Weise mehr an ein normales Verhör erinnerte, saßen Zuhair, Adnan, Said und ich gemeinsam an dem einen Ende eines langen Tisches, während am anderen nun gewöhnliche israelische Bürger Platz nahmen, mal fünf, mal acht im Laufe eines Tages, und in Gegenwart von zwei Offizieren ihre Lebensgeschichten erzählten. Da traten Juden aus Polen, aus Griechenland, aus Marokko, aus Russland, aus dem Jemen auf, jeder mit seinen ganz persönlichen Gründen, die alte Heimat zu verlassen und nach Israel auszuwandern, und so schälten sich aus der anonymen Masse unserer Feinde und Unterdrücker nach und nach einzelne Gestalten mit individuellen Lebensschicksalen heraus. Vielleicht spekulierten unsere Bewacher darauf, dass wir diesen Menschen unser Mitgefühl nicht versagen könnten – worum es aber eigentlich ging, war Folgendes: Aus den Erzählungen der Israelis entspannen sich Unterhaltungen,
in deren Verlauf wir unsererseits die eigenen Lebensgeschichten preisgaben. Nach einer Weile sprach ich tatsächlich über alles, was mir je etwas bedeutet hatte: meine Familie, meinen Vater, meine

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