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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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einverstanden gewesen. Mir war im Westjordanland ja alles fremd.
    Am Morgen machte sich Zuhair mit einem zweiten Mann auf den Weg in die nächste Ortschaft Karame, um ein Seil für die Jordandurchquerung und Säcke zum Verstauen der Waffen zu kaufen. Als sie nach zwei Stunden noch nicht zurück waren, wurden wir unruhig; schließlich widersprach es den Waffenstillstandsvereinbarungen, palästinensische Partisanen frei herumlaufen zu lassen. Wie sich herausstellte, waren die beiden von einem jordanischen Offizier aufgehalten worden, der uns aufgefordert hatte, unverzüglich aus Jordanien zu verschwinden. Also beschlossen wir, vormittags um elf, am helllichten Tag, den Jordan zu durchqueren. Eine törichtere Entscheidung ist kaum vorstellbar, aber wir hatten keine Wahl. Wir konnten nur hoffen, dass der Siegesrausch die Israelis zur Unaufmerksamkeit verleiten würde.
    Vorerst ging auch alles gut. Unser Führer watete voraus und befestigte das Seil am gegenüberliegenden Ufer, dann folgten wir Übrigen. Ich stieg als Letzter ins Wasser, um die Nichtschwimmer im Auge zu behalten. Zum Glück war die Strömung gering, denn trotz des sommerlichen Niedrigwassers reichte uns das trübe, grüne Jordanwasser an der tiefsten Stelle bis zur Brust. Als alle das andere Ufer erreicht hatten, löste der Führer das Seil und warf es in den Fluss.
    Noch vier Wochen zuvor hätten wir uns jetzt auf jordanischem Gebiet befunden. Mittlerweile war auch dieser Teil Palästinas von Israel besetzt. Ohne einer Menschenseele zu begegnen, gelangten wir zu einem Orangenhain in den
Außenbezirken von Jericho, wo wir unsere Waffen vergruben, um beweglicher zu sein. In der Nacht richtete ein israelisches Patrouillenfahrzeug seine Scheinwerfer genau auf uns; wir konnten uns nur auf den Boden pressen und hoffen, dass sie uns im hohen Gras zwischen den Orangenbäumen nicht entdeckten. Wir hatten Glück.
    Am nächsten Morgen trieb Zuhair in Jericho Leute auf, die uns in drei Autos zu unserem Einsatzgebiet fuhren, Richtung Südwesten an Bethlehem vorbei bis in die Gegend von Hebron. Unser Auftrag war ziemlich allgemein gehalten; er lautete, Anschläge auf israelisches Militär zu verüben. Das jeweilige Ziel sollten wir mit unserer Führung in Damaskus abstimmen, aber es wäre gar nicht so leicht gewesen, mit Abu Dschihad oder Arafat Verbindung aufzunehmen, denn Telefone waren eine Seltenheit. Der Gegner, den es zu bekämpfen galt, war jedenfalls die allgegenwärtige israelische Armee, und die war leicht zu treffen. Ihre Patrouillen bewegten sich in Jeeps unbefangen über die Bergstraßen, wo sie zu langsamer Fahrt gezwungen waren und ein bequemes Ziel abgeben würden.
    War es Unerfahrenheit, Arglosigkeit, Leichtsinn? Jedenfalls verteilten wir zehn uns jetzt erst einmal auf die Familien jener drei Kameraden, die aus Hebron und Umgebung kamen. Ich landete im Elternhaus von Zuhair, genoss die überströmende Gastfreundschaft einer Beduinenfamilie, und dann kamen sie von allen Seiten, das halbe Dorf, um uns willkommen zu heißen. Wie ein Lauffeuer hatte sich herumgesprochen, dass Zuhair zurückgekommen sei. Jetzt wusste also auch hier jeder Bescheid. Der nächste Fehler. Wahrscheinlich der entscheidende. Natürlich hätten wir ohne Umschweife in die Berge gehen müssen.
    Nach drei schönen Tagen in den Familien unserer Kameraden fanden wir es an der Zeit, die Waffen zu holen. Unser Führer Hammad und ich sollten das übernehmen. Ein Taxifahrer,
der Zuhairs Vertrauen genoss, brachte uns nach Jericho; den Rest des Weges bis zum Orangenhain legten wir zu Fuß zurück. Wir gruben die Gewehre aus und verbrachten im Schutz des Hains auch die Nacht. Als der Taxifahrer anderntags wie verabredet um die Mittagszeit kam, verstauten wir die Hälfte unserer Gewehre in seinem Kofferraum – mehr passten nicht hinein – und schickten ihn damit nach Hebron zu Zuhair. Am folgenden Tag sollte er zur gleichen Zeit wiederkommen, um uns beide und den Rest der Waffen mitzunehmen, doch am anderen Morgen wurde Hammad plötzlich nervös, wollte nicht mehr warten und schlug vor, dem Taxifahrer auf der Landstraße Richtung Jericho entgegenzugehen.
    Wir waren noch keinen Kilometer gelaufen, als ein Kleinflugzeug am Himmel auftauchte und direkt über uns hinwegflog. Hammad beruhigte mich, das habe nichts zu bedeuten. »Nur nicht weglaufen«, sagte er. Wir gingen weiter. Das Flugzeug kam zurück, flog noch einmal im Tiefflug über unsere Köpfe, und Minuten später hörten wir

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