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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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nicht lange vor. Nach zwei Tagen war die Sache immer noch in der Schwebe, weil Abu Dschihad nichts von sich hören ließ, und ein Mitstreiter nach dem anderen sprang ab. Der eine wurde plötzlich krank, der andere hatte seinen Pass verloren, der nächste bat um Verständnis dafür, dass … Noch ein paar Tage, und ich würde die Reise allein antreten müssen. Ich begriff, dass keine Zeit zu verlieren war, und rief einen Freund in Algier an. »Besteht die Möglichkeit, in Algerien eine militärische Ausbildung zu machen?«  – »Ja«, sagte er, und ich hörte mich um, wer von den Freiwilligen der ersten Stunde noch zu seinem Wort stand. Es waren zwanzig, darunter auch Nabil. Gegen seine tiefste Überzeugung schloss er sich uns an, weil er sich dem Mehrheitsbeschluss gebeugt und sein Wort gegeben hatte. Am
10. Juni saßen wir im Zug nach Marseille. Dort angekommen, bestiegen wir ein Schiff nach Algier.
    Unsere Abreise ging nicht unbemerkt vonstatten. Wenn ich mich recht entsinne, berichteten sowohl die Frankfurter Allgemeine Zeitung als auch die Frankfurter Rundschau , dass eine Gruppe palästinensischer Studenten zu einem Kampfeinsatz gegen Israel aufgebrochen sei. Von einem Geheimunternehmen konnte also keine Rede mehr sein, als wir im Hafen von Algier von unseren Leuten in Empfang genommen und mit Autos nach Bleda, einem Ausbildungscamp für algerische Offiziere, gebracht wurden.
    Es wird Leser geben, die sich den Verfasser dieses Buches nur schwer mit einem Gewehr in der Hand auf einem Truppenübungsplatz vorstellen können. Aber der Anblick von Waffen hatte mich schon als Kind begeistert. Vor allem die Schnellfeuergewehre hatten es mir angetan, die Standardwaffe der Fedajin, ein ägyptisches Fabrikat, das sich »Port Said« nannte und der israelischen »Uzi« ähnlich war. Ich muss dreizehn gewesen sein, als ich einen Fedajin bat, mich einmal damit schießen zu lassen. Er warnte mich. »Nur einen Schuss«, bettelte ich. Nach diesem einen Schuss war das Magazin leer. Später habe ich, so oft sich die Möglichkeit bot, mit Pistolen geschossen, ich hatte also zumindest eine gewisse Erfahrung im Umgang mit Waffen.
    Das Camp lag in einer weiten, bewaldeten Ebene, die von Bergen eingeschlossen war, und die Zustände dort waren katastrophal. Nichts war vorbereitet, niemand erwartete uns, und bis auf ein Häufchen Palästinenser aus Spanien, Italien und Lateinamerika sowie eine Handvoll Ausbilder war das Lager verlassen, wie ausgestorben. Das Schlimmste aber war der Schmutz. Gleich als Erstes haben Gazi Husseini und ich die Toiletten eigenhändig gesäubert, mit einem Tuch vor Nase und Mund gegen den Gestank und einem Wasserschlauch. Die Algerier waren von unserer Aktion zunächst irritiert,
dann beeindruckt, und als unsere Gruppe in der Frühe auch noch pünktlich zur Ausbildung erschien, als sie merkten, dass wir die politischen Diskussionen nach Feierabend ernst nahmen und sogar sachlich dabei blieben, hießen wir bei ihnen nur noch »die Deutschen«. Die Ausbilder waren im Übrigen freundlich und hilfsbereit, aber die Ausbildung selbst entsprach in keiner Weise den Anforderungen eines Partisanenkriegs. Im Grunde absolvierten wir im Schnellverfahren eine Grundausbildung für reguläre Soldaten – schießen, marschieren, durchs Gelände robben.
    Einer unserer Ausbilder, ein algerischer Offizier, beobachtete mich schon seit einer ganzen Weile. Eines Abends sprach er mich an: Ihm sei aufgefallen, dass bei mir alles schnell gehen müsse. Ich sei zu ungeduldig. Ich müsse verstehen, dass wir einen sehr langen Atem brauchen würden. »Wir Algerier haben hundertsechzig Jahre unter französischer Herrschaft gelebt«, sagte er, »und als unser Befreiungskampf endlich begann, hat er viel Zeit und Blut gekostet. Wenn du erst einmal erlebt hast, wie um dich herum deine Kameraden sterben, wirst du ruhiger werden.« Er sprach freundlich besorgt zu mir, wie mit einem jüngeren Bruder, aber ich wollte davon nichts hören. Er dämpfte meinen Eifer. Ich wollte mir meinen Elan bewahren – meine Überzeugungskraft hing davon ab. Ich schlug seine Worte damals in den Wind. Später, als die Kämpfe in Jordanien ausbrachen, als in Beirut während des Libanonkriegs die israelischen Bomber über mich hinwegflogen, habe ich oft an diesen Mann gedacht.
    Dann tauchte Nabils Vater im Camp auf, nahm mich beiseite und beschwor mich, seinen Sohn zur Vernunft zu bringen. »Nabil steht kurz vor seinem Staatsexamen«, sagte er. »Bitte überrede

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