Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
nach Tripolis.
Wir brachen in aller Frühe auf. Etwa 800 Meter vor dem Flughafengebäude erwartete uns ein Kontrollpunkt, besetzt mit Soldaten der libanesischen Armee und Milizionären der
Falange. Von einem Taxi ließen wir uns bis zur Absperrung bringen und reihten uns dann in die Schlange der Wartenden ein, Benita mit unserem Sohn auf dem Arm hinter mir. Die nächsten Minuten gehören zu den heikelsten Momenten meines Lebens, denn so viel war klar: Sollten sie mich als Palästinenser identifizieren, würde das meinen sicheren Tod bedeuten; fänden sie heraus, dass Benita und ich zusammengehören, wäre das unser aller Ende. Das größte Risiko stellte in diesem Fall Baschar dar. Ich selbst fühlte mich mit meinem algerischen Pass, in den ein falscher Name eingetragen war, einigermaßen sicher; auch Benita mit ihrem deutschen Pass hatte eigentlich nichts zu befürchten, doch Baschar war nur in meinem palästinensischen Laissez-passer eingetragen, und den vorzuzeigen wäre Selbstmord gewesen.
Vor uns wurde ein Palästinenser aus der Reihe geholt. Mich winkten sie nach einem Blick in meinen algerischen Pass durch. Auch Benitas deutscher Ausweis wurde akzeptiert. Und dann hörte ich im Weitergehen, wie der Soldat nach Baschars Pass fragte. Ich hielt den Atem an. Aber Benita ließ ihn einfach stehen, überhörte seine Frage ungeniert, lief stur weiter – und kam damit durch. Meine Erleichterung währte keine zwei Sekunden, denn im nächsten Moment drehte sich Baschar zu seinem vorweg laufenden Vater um und rief: »Papa!« Mir blieb das Herz stehen. Diesmal taten wir beide, als hätten wir nichts gehört, und wieder hatten wir Glück, der Vorfall blieb unbemerkt.
Die Flughafenhalle wimmelte von libanesischer Polizei. Ich steuerte den Lufthansa-Schalter an – und stand vor dem jungen Deutschen, den ich gerettet hatte. Er war ehrlich erschrocken, mich zu sehen, ihm war klar, in welcher Gefahr ich schwebte, und er versprach, sich um Benita und Baschar zu kümmern. Die Vorsicht gebot, uns zu trennen, ohne Abschied zu nehmen, aber ich wusste meine Frau und meinen Sohn in guten Händen, als ich vom Schalter zum Wartesaal weiterging
– und beinahe in etwas hineingeraten wäre, das mir nach einer Fahndung aussah. Einer Fahndung nach mir. Ein Ägypter, etwa von meiner Statur und meinem Alter, war gerade von mehreren Polizisten angehalten worden, die jetzt seinen Pass durchblätterten, seinen Koffer durchwühlten und höchstwahrscheinlich unangenehme Fragen stellten. Ich kannte den Mann, machte einen Bogen um die Gruppe, ging bis zum Flughafenrestaurant durch und bestellte ein Frühstück. Wenig später entdeckte mich der Ägypter dort und kam mit hochrotem Kopf auf mich zu. »Diese Idioten halten mich für einen Palästinenser!«, schimpfte er. Ich verkniff mir die Bemerkung, dass er vermutlich das Opfer einer Verwechslung geworden war und der Gesuchte vor ihm sitze. Für die nächsten Stunden blieb ich unbehelligt, atmete aber erst auf, als meine Maschine gegen 11 Uhr abhob.
Anlass meiner Reise nach Tripolis war die Vorstellung von Gaddafis berühmt gewordenem Grünen Buch , in dem er seine revolutionären Visionen niedergeschrieben hatte. Gaddafi präsentierte dieses Buch natürlich selbst und lud uns anschließend zum Essen in sein Zelt, wo er sich bei mir freundlich nach den Vorgängen im Libanon erkundigte und meine Auskunft, dass wir den Angriff der libanesischen Armee zurückgeschlagen hätten, mit Befriedigung zur Kenntnis nahm.
Nicht, dass der libysche Revolutionsführer (von 1969 bis Mitte 2011 an der Macht) unser Freund gewesen wäre. Aber wir konnten ihn auch schlecht ignorieren, schon weil er nichts unterließ, um seinen Einfluss im Nahen Osten geltend zu machen, indem er grundsätzlich die radikalsten Gruppen unterstützte. Im Übrigen hätte Arafat nie jemanden verprellt, nur weil er ihn zu seinen Gegnern rechnen musste. Ein schwieriger Fall war er für uns trotzdem. So finanzierte er beispielsweise den libanesischen General Achmed Djebril, der dem militanten Flügel der PLO angehörte und für etliche Flugzeugentführungen
verantwortlich war; Djebril war es auch, der auf die Idee verfiel, ein ferngesteuertes Miniaturflugzeug mit Sprengstoff zu beladen und nach Israel zu dirigieren, ohne dass diese neuartige Waffe allerdings irgendwelchen Schaden angerichtet hätte. Später rüstete Gaddafi ihn mit großen Mengen russischer Waffen aus, die beim Einmarsch der Israelis 1982 in einem Bunker im Süden des
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