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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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Sinaihalbinsel an Ägypten endeten. Auch ich habe Sadats Kompromissbereitschaft damals verurteilt. Heute bewundere ich sein Vorgehen – als Feldherr genauso wie als Diplomat und Staatsmann.
    Die Bilanz des Kriegs fiel für Israel trotz des Siegs bedrückend aus. Noch nie hatte man eine Niederlage so deutlich vor Augen gehabt, noch nie waren mehr als zweitausendfünfhundert israelische Soldaten gefallen. Mosche Dajan trat als Verteidigungsminister, Golda Meir als Ministerpräsidentin
zurück, während es außer Ägypten auch Arafat und der PLO gelang, die militärische Niederlage durch eine Reihe entscheidender diplomatischer Erfolge rasch vergessen zu machen.

Gewehr oder Ölzweig?
    Wenn man die Geschichte der PLO unter die Lupe nimmt, muss man feststellen, dass eine Befreiungsbewegung von derartiger Dynamik laufend innere Widersprüche produziert. Diese Widersprüche treten unabhängig vom Personal und den Umständen auf, sie sind auch keine Betriebsunfälle, sie haben vielmehr den Charakter von immanenten Widersprüchen, sie stellen sich gewissermaßen zwangsläufig ein.
    Im Fall der PLO war es so, dass sie sich als Kraft verstand – und auch verstanden wissen wollte –, die einen Zustand des Friedens und der Legalität anstrebt, auf dem Weg dahin aber Gewalt – militärische Gewalt – als unverzichtbares Mittel zum Zweck einsetzte, und das bereits in einer Phase, in der ihre eigene Legitimität noch angefochten wurde. Mit ihrem Bekenntnis zur Gewalt nahm sie in Kauf, von außen als kriegerische, ja, als terroristische Bewegung wahrgenommen zu werden. Dabei erzielte die PLO ihre entscheidenden Erfolge viel eher auf diplomatischer Ebene als durch militärische Mittel  – mit denen sie sich im Übrigen fast häufiger ihrer arabischen Widersacher erwehren musste, als dass sie gegen den eigentlichen Gegner Israel zum Einsatz gekommen wären. Gewaltanwendung spielte also im Hinblick auf das große Ziel eines eigenen Staates eine untergeordnete Rolle. Dennoch war sie unverzichtbar und geradezu die Voraussetzung jedes diplomatischen Fortschritts, weil die PLO es mit einem Gegner zu tun hatte, der sich allein durch militärische Stärke beeindrucken und zum Einlenken bewegen ließ. De facto profitierte die PLO viel stärker von der stillen Arbeit ihrer Diplomaten
als von sämtlichen militärischen Aktionen, die gegen Israel gerichtet waren, doch hätten die Diplomaten ohne solche Demonstrationen entschlossener Gewaltbereitschaft wenig auszurichten vermocht.
    Es war die einzigartige Fähigkeit Arafats, die gegensätzlichen Kräfte immer wieder zu bändigen, die Widersprüche immer wieder fruchtbar zu machen. Das gelang ihm umso leichter, als er sie in seiner Person vereinte und auszuhalten vermochte. Das einprägsamste Bild dieser Doppelnatur hat er selbst von sich geliefert – in seiner Rede vor der Vollversammlung der UNO im November 1974, als er sagte: »Ich bin mit einem Ölzweig in der einen und dem Gewehr des Revolutionärs in der anderen Hand hierhergekommen. Lasst nicht zu, dass der grüne Zweig aus meiner Hand fällt! Von Palästina flammte der Krieg auf, und von Palästina aus nimmt der Frieden seinen Anfang.«
    Krieg oder Frieden – Arafat war zu beidem bereit. Die PLO war zu beidem bereit. In jenem Jahr 1974 aber schien uns der Frieden zum Greifen nahe und der Krieg schon beinahe der Vergangenheit anzugehören. Es war das Jahr der Euphorie, wir wähnten uns tatsächlich fast am Ziel. In einem Interview, das Arafat 1995 dem israelischen Journalisten Amnon Kapeliuk gab, klingt unsere damalige Hoffnung auf ein baldiges Ende des Nahostkonflikts nach: »Seinerzeit fragte ich mich«, sagte er, »wann wir unsere Unabhängigkeit feiern würden. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir so viele Rückschläge erleben und zwei Jahrzehnte später unser Ziel immer noch nicht erreicht haben würden.« 3
    Arafats Auftritt vor der UNO war der Höhepunkt einer ganzen Serie diplomatischer Erfolge. Aber im selben Jahr 1974 hatte ich auch einen sehr persönlichen Grund zur Freude:
Am 3. März hob das Verwaltungsgericht in Darmstadt den Abschiebungsbefehl gegen mich auf. Benita flog von Kairo nach Deutschland, um Formalitäten zu erledigen, und ich besprach die neue Situation mit Arafat, Abu Dschihad und Abu Said (Hanis Bruder). Alle drei waren der Meinung, dass ich meine Arbeit in Deutschland fortsetzen sollte. Selbstverständlich war ich dazu bereit – blieb nur die Frage, wann, denn gerade in diesen Monaten

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