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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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Lutuf, Isam Kamel, dem PLO-Vertreter in Ostberlin, und meinem alten Freund Amin in einer Villa, die ich kurzfristig angemietet hatte. Auch Benita und Baschar gesellten sich oft zu uns. Wir brauchten keinen Champagner – wir berauschten uns an den Erfolgsmeldungen im Rundfunk und an den Fernsehbildern von strahlenden Soldaten, die auf den eroberten Bunkern der Bar-Lew-Linie die israelischen Fahnen einholten und die ägyptischen hissten. Jeder empfand diesen Krieg als Befreiungsschlag, und in den ersten, drei, vier Tagen sah es nach einem Sieg ohnegleichen aus.
    Dabei handelte es sich um einen geradezu zivilisierten Angriff, nicht zu vergleichen mit den israelischen Angriffen von 1956 und 1967. Sadat hatte seine Panzerverbände angewiesen, nicht über eine bestimmte Linie hinaus vorzurücken – aus dem einfachen Grund, weil dieser Krieg nicht die Besetzung oder Zerstörung Israels zum Ziel hatte, sondern Amerikaner wie Sowjets zu einer politischen Lösung des Palästinaproblems zwingen sollte. Die abgeschossenen israelischen
Piloten wurden vor die Kameras gebracht, aber sie wurden nicht zusammengeschlagen, wie es die Israelis in früheren Kriegen mit ihren ägyptischen Gefangenen gemacht hatten, und fliehenden israelischen Soldaten blieb das Schicksal jener ägyptischen Panzerbesatzungen erspart, die 1967 von den Israelis auf der Flucht mit Napalmbomben beschossen worden waren. Sadat war klar, dass die israelische Propaganda jede Gelegenheit nutzen würde, Vergleiche mit der Hitlerzeit zu ziehen und die Gefahr einer Ausrottung der Juden an die Wand zu malen, daher vermied er peinlichst, ihr den geringsten Anhaltspunkt dafür zu liefern.
    Ich persönlich war schon deshalb in Hochstimmung, weil die Araber nun endlich einmal den Beweis dafür erbrachten, dass sie mehr konnten als Reden zu schwingen und sich der Welt als zerstrittener Haufen zu präsentieren. Ich begrüßte diesen Krieg aber auch grundsätzlich, weil Israel sich nur durch Tatsachen beeindrucken ließ, die auf dem Schlachtfeld geschaffen wurden. Für mich stand deshalb außer Frage, dass wir Araber uns nur durch Gewaltanwendung einen Verhandlungsspielraum verschaffen konnten. Außerdem beglückte mich die Reaktion der Menschen in Kairo. Diesmal strömte keine schreiende Menge durch die Straßen der ägyptischen Hauptstadt, diesmal gratulierte man sich, fiel sich freudestrahlend um den Hals und blieb im Übrigen ruhig und diszipliniert. Und selbst die Medien enthielten sich aller triumphalistischen Fanfarenstöße – keine maßlosen Übertreibungen wie 1967, als die Stimme Arabiens angesichts der vollständigen Niederlage noch den »größten Sieg in der Geschichte der Araber« ausgerufen hatte.
    Aber – wir hatten die USA gegen uns. Und die Israelis konnten sich auf die Supermacht blind verlassen, denn seit 1967 war Israel kein gewöhnlicher Verbündeter der USA mehr. Seit dem Sechstagekrieg diktierte Israel, wann und wie viel Geld, wann und wie viele Waffen die Amerikaner zu liefern
hatten. Jetzt versuchten die USA auch deshalb, die israelische Armee mit allen Mitteln vor einer Niederlage zu bewahren, weil der israelische Verteidigungsminister Mosche Dajan in einem Anfall von Panik den Einsatz von Atomwaffen in Erwägung gezogen hatte. In der größten Hilfsaktion ihrer Geschichte ersetzten die Amerikaner den Israelis praktisch alle Verluste an Waffen, Panzern und Flugzeugen.
    Damit wendete sich das Blatt. Die syrischen Streitkräfte, die zur selben Zeit wie die ägyptischen angegriffen und gleich zu Beginn die Golanhöhen zurückerobert hatten, wurden im Verlauf eines israelischen Gegenangriffs weit zurückgedrängt. Arafat, der mit seinen Leuten vom Libanon aus eine dritte Front eröffnet hatte, fehlten die schweren Waffen, um entscheidend ins Kriegsgeschehen einzugreifen. Und General Ariel Scharon gelang ein Durchbruch im Sinai, mit dem Erfolg, dass die israelischen Verbände zwei Wochen nach Kriegsbeginn 100 Kilometer vor Kairo standen. In dieser Situation nahm Sadat das Angebot des amerikanischen Sicherheitsberaters Henry Kissinger an und stimmte am 22. Oktober einem Waffenstillstand zu. Wütende Reaktionen blieben nicht aus. Gaddafi polterte in Tripolis, auch die Iraker beschimpften Sadat, und selbst die Syrer beschuldigten ihn, sie im Stich gelassen zu haben. Doch Sadat wusste auch jetzt wieder, was er tat. Durch seine Entschlossenheit wie seine Besonnenheit schuf er die Voraussetzung für Verhandlungen, die mit der Rückgabe der

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