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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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unseren Diskussionen hervor. Es dauerte nicht lange, und sie war mit der arabischen Gesellschaft so vertraut, als hätte sie lange in Beirut gelebt.
    Im Libanon gab es aber auch – ebenfalls einzigartig – eine Spaltung in einen christlichen und einen muslimischen Bevölkerungsteil, die es notwendig machte, das gesamte politische Gefüge mit großem Feingefühl zwischen beiden Kräften auszutarieren. Gleichwohl besaßen die Christen traditionell ein leichtes Übergewicht, und jede Bedrohung der christlichen Vorherrschaft erregte den Argwohn der Falangisten, einer christlichen Miliz, die zur Selbsthilfe schritt, wenn beispielsweise der übliche Postenschacher nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt hatte. Seit 1971 hatten sich die Gewichte im Libanon zugunsten der Muslime verschoben, durch die Einwanderung Hunderttausender Palästinenser nach ihrer Vertreibung aus Jordanien, nicht zuletzt aber auch durch die Anwesenheit der PLO-Führung sowie tausender Kämpfer der Fatah und anderer Organisationen. Als Benita, Baschar und ich in Beirut eintrafen, spitzte sich die Lage bereits zu. Die libanesische Armee war im Begriff, mit Gewalt gegen die Palästinenser vorzugehen, und in diesem Fall war auch mit einem Angriff der Falangisten zu rechnen, die der Armee nachzuhelfen pflegten, sooft ihnen Nachhilfe nötig erschien.
    Ich arbeitete in der politischen Abteilung der PLO, die Faruk Kadumi unterstand, und kooperierte eng mit jenem Ressort, das ich Jahre später selbst leiten sollte, der außenpolitischen
Abteilung von al Fatah. Angesichts der gespannten Lage waren wir vollauf damit beschäftigt, die Verteidigung der palästinensischen Wohnviertel zu organisieren, als die Israelis zu der grausamsten Aktion ihres Rachefeldzugs schritten, dem vierfachen Mord in der Rue Verdun.
    In der Nacht vom 9. auf den 10. April wurden Benita und ich durch Schüsse in der Nachbarschaft geweckt. Von einer dunklen Ahnung befallen, rief ich bei Tagesanbruch einige Freunde an und erfuhr, dass Kamal Adwan, der mich kurz zuvor in Algier besucht hatte, Abu Yusef und Kamal Nasser in ihren Wohnungen ermordet worden waren. Auch die Frau von Abu Yusef war erschossen worden, als sie sich einem Attentäter widersetzen wollte; nur ihre beiden Söhne hatten sich durch einen Sprung vom Balkon gerettet. Den christlichen Dichter und Schriftsteller Kamal Nasser, wie Abu Yusef Mitglied des PLO-Exekutivkomitees, hatten die Attentäter durch mehrere Schüsse in den Mund getötet – ein Akt brutaler Symbolik, in dem sich der Hass auf die Stimme Palästinas entlud.
    Am Ort der nächtlichen Hinrichtungsorgie war kein Durchkommen. Hunderte erregter Menschen drängten sich vor dem Haus in der Rue Verdun, und ich versuchte erst gar nicht, mich durch die Menge zu zwängen, ich war von den Morden der letzten Monate erschöpft und von Bildern des Grauens übersättigt. Ein Kommando von sechzehn israelischen Soldaten, vier davon als philippinische Kindermädchen verkleidet, war, übers Meer kommend, im Schutz der Dunkelheit am Strand von Beirut an Land gegangen und in das Wohnhaus eingedrungen, in dem außer den drei Ermordeten auch Arafat vermutet worden war. Der entging seinen Jägern ein weiteres Mal. Dennoch wurden die Morde in Israel wie ein glanzvoller Sieg auf dem Schlachtfeld gefeiert, und der Witz, man hebe sich Arafat für die Zeit des bevorstehenden Wahlkampfs auf, machte die Runde. Der Name des Mörders
von Kamal Adwan wird übrigens im Zusammenhang mit Anschlägen dieser Art noch häufiger auftauchen, er lautet Ehud Barak. Seinerzeit Offizier, war er für die Planung solcher Anschläge auf die führenden Köpfe des palästinensischen Widerstands zuständig und gelegentlich auch persönlich an ihrer Durchführung beteiligt, bevor er 1999 israelischer Ministerpräsident wurde.
    Die Morde vergifteten die Atmosphäre in Beirut weiter. Ein allgemeines Misstrauen gegen Ausländer griff um sich, Festnahmen häuften sich, und auch unser Sicherheitsdienst verhaftete Personen, die in einen mehr oder weniger vagen Zusammenhang mit dem Attentat in der Rue Verdun gebracht werden konnten. Eines Tages erhielt ich einen Anruf von Hamad el-Aydi, dem Chef der palästinensischen Sicherheitsorgane in Beirut und niemand anderer als einer der Verschwörer im Orangenhain, der dritte im Bunde neben meinem Bruder Mohammed und Abu Dschihad. Er bat mich, in sein Büro zu kommen – man habe einen Deutschen festgenommen, der in die Mordaktion verwickelt gewesen sei.
    Es

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