Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
hatte. »Aber lassen Sie uns nicht von der Vergangenheit reden«, sagte er. »Ein deutsches Gericht hat Ihre Unschuld bestätigt, und damit ist hier in allen Gremien bekannt, dass Ihnen Unrecht geschehen ist.«
Damit begann für mich eine neue Zeit. In den folgenden dreißig Jahren sollte es für mich nur noch kurze, vorübergehende Phasen der Abwesenheit aus Deutschland geben, und alle diese Jahre hindurch hatte meine Freundschaft mit Ben Wisch Bestand. Gleich als Erstes versprach er mir, sich für die Wiederzulassung der GUPS und GUBA stark zu machen, und erreichte, dass unsere Vereine ihre Arbeit unter den neuen Namen PS (Palästinensische Studenten) und PA (Palästinensische Arbeiter) fortsetzen durften. Seither duzten wir uns und sahen uns häufig. Wenn wir uns auf Empfängen begegneten, nahm er mich in den Arm und stellte mich den Umstehenden vor als »mein Freund, der Terrorist«. Er liebte es, Scherze der deftigeren Art zu machen, und ich erinnere mich mit Vergnügen
an eine Episode aus dem Jahr 1992, als Wischnewski während eines gemeinsamen Abendessens in Tunis Arafat einen israelischen Arafat-Witz erzählte.
An diesem Abend erlebte Frau Wischnewski den PLO-Führer zum ersten Mal und fand ihn sympathisch, charmant, ja, hinreißend. Da sagte Ben Wisch mit seiner Bassstimme: »Ah, warte ab. Pass mal auf …«, und legte los – möglicherweise in der Absicht, Arafats Contenance auf die Probe zu stellen. »In Israel erzählt man sich folgenden Witz: Ein Kommando der Israelis hat den Auftrag, Arafat zu ermorden. Sie fahren nach Beirut, machen ihn ausfindig und postieren sich gegenüber dem Haus, in dem er sich aufhält. Irgendwann schauen sie auf die Uhr: Mitternacht, 1 Uhr morgens, 2 Uhr morgens – Arafat kommt nicht. Sagt der Chef des Kommandos zu den anderen: ›Nanu – es wird ihm doch nichts passiert sein …?‹« Wischnewski erzählte, ich übersetzte, und Arafat schüttete sich aus vor Lachen. »Diese Gauner«, sagte er nur.
Wischnewski machte mich jedenfalls im Laufe der Zeit mit zahlreichen Funktionären und Abgeordneten der SPD bekannt, stellte mich aber genauso Mitgliedern von CDU, CSU und FDP vor, und ich entdeckte, dass wir Araber in allen deutschen Parteien Freunde hatten, Freunde, die sich zwangsläufig etwas zurückhaltender gaben als die ausgesprochenen Freunde Israels. In der CSU zählte Johnny Klein dazu, der mehrere arabische Länder in seiner Funktion als Presseattaché der jeweiligen Botschaft kennengelernt hatte, und in der FDP war es vor allem Jürgen Möllemann, dessen aufrichtiges Engagement ich zu schätzen lernte.
Alle diese Kontakte waren für mich Gold wert, denn die PLO schien nun, im Jahr 1974, in die entscheidende Phase ihrer Geschichte eingetreten zu sein, und unser nächstes großes Ziel war, sie auch bei den Regierungspolitikern Westeuropas salonfähig zu machen, die sich mit Arafat deutlich schwerer taten als die Herrschenden in den sozialistischen Ländern
oder den Staaten der Dritten Welt. Aber ich will hier zunächst noch einmal auf den Grund für unseren Optimismus zurückkommen.
Ihren ersten Erfolg auf dem Weg Arafats in die UNO konnte die PLO auf dem Gipfeltreffen der Blockfreien Staaten im September 1973 in Algier feiern. Wie bereits angedeutet, wurde die Legitimität der PLO als alleinige Vertreterin Palästinas von verschiedenen Seiten angefochten. Insbesondere der jordanische König Hussein, der nach wie vor Anspruch auf das Westjordanland erhob, bestritt der PLO dieses Recht. Die Blockfreien Staaten erkannten nun als Erste den Anspruch der PLO an. Viele von ihnen hatten ihre Unabhängigkeit selbst durch einen Befreiungskampf gewonnen, bei ihnen durften wir ohnehin auf das größte Verständnis zählen, und von jetzt an standen sie in ihrer Gesamtheit auf unserer Seite. Kurz darauf, im November 1973, schlossen sich auch die arabischen Staaten auf ihrer Gipfelkonferenz in Algier der Resolution der Blockfreien Staaten an und bestätigten das Alleinvertretungsrecht der PLO. Jordanien enthielt sich der Stimme, und die Vertreter der übrigen arabischen Staaten verbanden mit ihrer Anerkennung die Hoffnung, dass Arafat sich von den Maximalpositionen lossagen würde, zu denen die Charta der PLO ihn immer noch verpflichtete. Dieser Schritt erfolgte dann tatsächlich, nämlich auf der Sitzung des Palästinensischen Nationalrats im Juni 1974 in Kairo.
Man darf das Ergebnis dieser Sitzung als historischen Wendepunkt werten. Das Zehn-Punkte-Programm, das nach
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