Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
Vom Netzwerk:
waren wir alle in fieberhafte diplomatische Aktivitäten eingespannt. Es kam daher erst im September 1974 zum großen Wiedersehen auf dem Frankfurter Flughafen, wo mir meine Freunde, die palästinensischen wie die deutschen, sowie natürlich auch Benita und Baschar, der auf dem Boden herumkrabbelte, einen herzlichen Empfang bereiteten. Ich war Deutschland genau zwei Jahre lang ferngeblieben, und meine Rückkehr in das Land, in dem ich mittlerweile ein Drittel meines Lebens verbracht hatte, bewegte mich stärker als erwartet. Glücklicher als alles andere aber machte mich, dass unsere Ehe die Probe dieser beiden turbulenten Jahre bestanden hatte: Den größten Teil davon hatte Benita an meiner Seite in diversen arabischen Ländern verbracht, hatte sich mit ihren einundzwanzig Jahren selbst unter den schwierigen Bedingungen in Beirut mit Bravour geschlagen, hatte in dieser Zeit Arabisch gelernt und wirklich den Mut einer Beduinin an den Tag gelegt. Nicht nur ich war unglaublich stolz auf sie, auch in der Achtung meiner Familie war sie noch weiter gestiegen.
    Es war das alte, das vertraute Deutschland, in das ich zurückkehrte. Der Anschlag von München war kein Thema mehr. In der Zwischenzeit hatte sich herumgesprochen, dass weder die PLO noch die Fatah noch gar die palästinensischen Studenten etwas damit zu tun hatten, und mittlerweile war auch bekanntgeworden, dass Israel die deutschen Mitglieder des Krisenstabs gezwungen hatte, der Entführung ein gewaltsames Ende zu bereiten, obwohl die deutsche Polizei auf eine
solche Befreiungsaktion nicht vorbereitet war. Bestimmte Personen in Tunis wären seinerzeit durchaus bereit gewesen, zwischen den Attentätern des Schwarzen September und den deutschen Behörden zu vermitteln, doch in Israel war deren Angebot auf kategorische Ablehnung gestoßen.
    Bald nach meiner Rückkehr setzte sich Hans-Jürgen Wischnewski mit mir in Verbindung – er wolle mit mir reden. Auch mir lag an einem Gespräch, denn ganz hatte ich ihm noch nicht verziehen, dass auch er keinen Widerspruch gegen meine Abschiebung eingelegt hatte. Vielleicht waren ihm die Hände gebunden gewesen, doch war das Vertrauensverhältnis, das wir in den vier Jahren zuvor aufgebaut hatten, seither erschüttert.
    1968 war ich ihm bei einem Treffen im Haus des kroatischen Journalisten Hassan Suliak erstmals begegnet. Der SPD-Abgeordnete Wischnewski, zwanzig Jahre älter als ich, war zu jener Zeit Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit unter Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger, der die erste Große Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik gebildet hatte. Wischnewski verfügte über beste Beziehungen zur Dritten Welt, hatte Freunde in den Befreiungsbewegungen Algeriens und Nicaraguas, wurde daher immer wieder mit diplomatischen Sondermissionen betraut und hatte sich einen Namen als unerschrockener Krisenmanager gemacht. Besonders stark fühlte er sich der arabischen Welt verbunden, was ihm den Beinamen »Ben Wisch« eingetragen hatte – ein glücklicher Einfall Willy Brandts. Ins Rampenlicht der deutschen Öffentlichkeit trat Wischnewski, als es 1970 durch seine Vermittlung gelang, die Passagiere von drei nach Amman entführten Flugzeugen zu befreien, darunter viele Deutsche und Israelis. In diesem Zusammenhang hatte er um ein Gespräch mit Arafat gebeten, und ich hatte den Kontakt hergestellt. Seither blieben die beiden in Verbindung, und mit der Zeit entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen Arafat
und Ben Wisch. (Auf Betreiben Arafats würdigte die palästinensische Autonomiebehörde diese Freundschaft, indem sie zu Wischnewskis 75. Geburtstag 1997 zwei Briefmarken herausbrachte, auf denen nicht nur die Konterfeis beider Männer abgebildet sind, sondern auch die Nähe zwischen ihnen für jedermann sichtbar wird.)
    Kurzum, Wischnewski war ein alter Fuchs, mit den unterschiedlichsten Mentalitäten vertraut und daher die quasi natürliche Anlaufstelle für alle aus der Dritten Welt. Ich rief ihn regelmäßig an, und sooft er Zeit hatte, trafen wir uns in Bonn. Bei unserem ersten Gespräch nach meiner Rückkehr brachte ich meine Verletztheit zum Ausdruck, und er erklärte mir auf seine ruhige, geduldige Art, wie verheerend dieses Attentat auf die deutsche Öffentlichkeit gewirkt hatte, was es für die Deutschen bedeutet hatte, zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg eine Olympiade auszurichten, und wie tief diese eklatante Verletzung des olympischen Friedens auch Willy Brandt persönlich erbittert

Weitere Kostenlose Bücher