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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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plädierte also für den Verzicht auf eine kontinuierliche Expansion und auf die Zielvorstellung eines Groß-Israels, das sich zu seiner Legitimation einzig auf eine dreitausend Jahre alte göttliche Verheißung berufen kann; er war auch der erste Israeli, der gegen das Kontaktverbot verstieß und sich mit Arafat und meinem Londoner Kollegen Said Hamami traf.
    Daniel Cohn-Bendit war unabhängig genug, uns zu unterstützen und genauso gut von Fall zu Fall zu kritisieren. Einen Unterschied zwischen radikalen Palästinensern und radikalen Israelis vermochte er nicht zu erkennen. Er, der im Pariser Mai 1968 die Demonstrationen gegen de Gaulle angeführt hatte, machte auf mich immer einen viel reiferen Eindruck als seine deutschen Genossen. In jedem Fall erlebte ich Cohn-Bendit jederzeit als offenen und sympathischen Menschen, witzig, schlagfertig und von ausgesprochener Präsenz – Eigenschaften, die mir bei Juden häufig aufgefallen sind. Die engste und am tiefsten gehende Freundschaft aber verband mich mit dem Dichter Erich Fried.
    Ich hatte ihn durch unseren Mann in London, Said Hamami, kennengelernt. Ich weiß noch, wie wir beide während meines ersten Besuchs bei Said in London 1977 bis morgens um drei bäuchlings auf dem Boden seines Wohnzimmers lagen, jeder ein Kopfkissen unter den Ellbogen, und diskutierten  – Said trat für eine Anerkennung Israels ein, ich war damals
dagegen, und wir loteten in dieser Nacht alle Möglichkeiten nahöstlicher Diplomatie mit ihren Vor- und Nachteilen aus, ein intellektuelles Vergnügen. Mitten im Gespräch sagte er: »Du musst Erich Fried kennenlernen.« Said war mit dem in London lebenden Dichter befreundet, und wenig später nahm Erich Fried meine Einladung zu einer Großveranstaltung nach Frankfurt an. Fortan unterstützte er unsere Sache auch in Deutschland mit der Leidenschaft des zornigen, von Israel enttäuschten Juden.
    Frieds großer Vorteil für uns war: Niemand wagte, ihn zu kritisieren, obwohl er in zahlreichen Gedichten Israel unverblümt angriff – wie in Höre, Israel! , einem seiner berühmtesten Gedichte, in dem es unter anderem heißt: »Als wir verfolgt wurden, war ich einer von euch. / Wie kann ich das bleiben, wenn ihr Verfolger werdet?« Heute wäre es in Deutschland nicht mehr möglich, bestimmte Gedichte von ihm öffentlich zu zitieren, weil der Zeithintergrund der 70er- und 80er-Jahre mit ihrer ernsthaft um Wahrheit bemühten Debattenkultur nicht mehr gegeben ist – es fiel einem damals eben nicht als Erstes das Wort »Diskriminierung« ein, wenn jemand gegen den Stachel löckte. Den größten Gefallen aber tat mir Erich Fried mit der Erlaubnis, seine Gedichte zusammen mit denen des großen palästinensischen Dichters Mahmud Darwisch zu veröffentlichen. In dieser Kombination war es nun also möglich, die Gedichte von Darwisch einem breiten deutschen Publikum zugänglich zu machen – einer der vielen Gründe für mich, Erich Fried in dankbarer Erinnerung zu behalten.
    Im weiteren Sinne gehört in den Rahmen der jüdisch-palästinensischen Begegnungen in Europa auch eine Anzeigenkampagne des deutschen Modemachers Otto Kern von 1993. Seine Idee, eine Palästinenserin mit einer Jüdin auf einem Werbefoto zu vereinen, war von ihm als ein Beitrag zum Frieden im Nahen Osten gedacht. Kern schwebte eine Paarung aus unserer Tochter Muna (die erst im nächsten Kapitel das Licht
der Welt erblicken wird) und der Tochter von Ignatz Bubis vor, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland. Letztere aber lehnte ab, und an ihrer Stelle nahm die Sängerin Jennifer Rush an dem Fotoshooting in Deauville in der Normandie teil. Warum die Tochter von Ignatz Bubis ihre Mitwirkung verweigerte, ist mir nicht bekannt; das Gesamthonorar von 100 000 DM kam jedenfalls der israelischen Organisation Givat Haviva zugute, die in Israel Schulen für jüdische und palästinensische Kinder unterhielt. Ein guter Zweck, sollte man meinen.
    Was seit dem Oslo-Abkommen nichts Ungewöhnliches mehr ist, nämlich Kontakte zwischen Israelis und PLO-Vertretern, war in den 70er-Jahren allerdings auch unter Palästinensern ein heißes Eisen und heftig umstritten. So war es zum Beispiel vorgekommen, dass ein palästinensisches Mitglied der syrischen Baath-Partei aus dieser ausgeschlossen worden war, nur weil der Mann einem Palästinenser mit israelischem Pass auf einem internationalen Treffen die Hand gegeben hatte. Wo sie einander begegneten, pflegten sich Palästinenser und

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