Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
augenblicklich tot. Die Wucht einer solchen Detonation ist so stark, dass einem der Kopf explodiert, selbst wenn die Panzerung standhält. Ich brach sofort nach Beirut auf und war zugegen, als Arafat die Familie von Abu Hassan aufsuchte. Arafat hat nicht geweint, er hat vor Schmerz geschrien mit der Hemmungslosigkeit eines tödlich getroffenen Tiers, nicht anders als jemand, der seinen Sohn verliert.
Gewiss quälte Arafat in diesen Stunden eine rein menschliche Betroffenheit, aber auch politisch gesehen versetzte der Tod von Abu Hassan ihm und uns allen einen schweren Schlag, denn diesem Mann war es gelungen, eine bislang verschlossene Tür wenigstens einen Spaltbreit zu öffnen. Er war nämlich der erste politische Vertreter Palästinas, der in den USA Gehör fand, der es mit seinem Charme, seinem Charisma, seinem glamourösen Auftreten geschafft hatte, die Amerikaner für sich und die Palästinenser einzunehmen – offenbar gab es da noch ein ganz anderes Palästina als jenes, das Arafat repräsentierte. Es hatte ja immer wieder Anläufe zu Gesprächen gegeben, seitens der Amerikaner wie unsererseits, aber erst Abu Hassan hatte das Eis zum Schmelzen gebracht. Zweimal war er bereits einer Einladung in die USA gefolgt, hatte seine Aufenthalte auch für Gespräche mit CIA-Beamten genutzt und Nachrichten von Arafat überbracht. Schon wegen seines Erfolgs in Amerika muss er den Israelis ein Dorn im Auge gewesen sein. Die junge Deutsche war jedenfalls
eine israelische Agentin gewesen, die die Ankunft seiner Fahrzeugkolonne beobachtet und das Zeichen gegeben hatte, die Explosion auszulösen. In Deutschland widmeten die Zeitungen und Illustrierten diesem Vorfall zahlreiche Berichte.
Der Weg der Verständigung, so mussten wir lernen, war ein blutiger Weg, und wer nicht ins Visier des Mossad geriet, der tauchte auf der Todesliste von Abu Nidal auf. Dass auch mein Name auf dieser Liste stand, davon musste ich ausgehen, war jedoch fest entschlossen, mich nicht einschüchtern zu lassen. Anfang 1981 war es dann so weit. Mit meinen Auftritt in der Sendung »Pro und Contra« am 18. Dezember 1980 lieferte ich Abu Nidal den Anlass, mich aus dem Weg zu räumen.
Wir diskutierten an jenem Abend das Für und Wider eines Palästinenserstaates – dafür plädierten außer mir Gerhard Konzelmann und der FDP-Abgeordnete Jürgen Möllemann, dagegen wandten sich Eberhard Pilz, damals Washington-Korrespondent der ARD, Erik Blumenfeld, Mitglied des Europäischen Parlaments und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, und Mosche Dajan, ehemaliger Verteidigungs- und Außenminister Israels, über eine Sattelitenleitung aus Israel zugeschaltet. Die Besonderheit dieser Sendung war, dass nach der Diskussion über die während des Meinungsstreits verhandelten Standpunkte im Publikum abgestimmt wurde. Wie zu erwarten, kam es zu einem heftigen Schlagabtausch, und ich hatte allen Grund, über das Abstimmungsergebnis glücklich zu sein: Sechzehn Stimmen für einen Palästinenserstaat, neun dagegen. Arafat war der Erste, der mir gratulierte; er hielt sich damals zu einer ärztlichen Behandlung in Ost-Berlin auf und hatte die Sendung mit einem Dolmetscher am Fernseher verfolgt.
Nur zwei Tage später erging sich die Zeitung der Volksfront, also der Organisation von George Habash, unter der
Überschrift »Die Wahrheit« in seitenlangen Schmähungen gegen mich – ich hätte mich als Agent Israels, des BND und der CIA, kurz: als Verräter und Schlimmeres zu erkennen gegeben, als ich mich auf eine Debatte mit Mosche Dajan einließ. Der Artikel strotzte von absurden Unterstellungen – so viel Schande konnte ein einzelner Mensch gar nicht auf sich laden –, und Abu Nidal machte in seiner Zeitung auf ähnliche Weise gegen mich Stimmung. Ich war gewarnt.
Ich hätte Begleitschutz beantragen sollen. Ich tat es nicht, und der Killer, den Abu Nidal am 1. Januar 1981 nach Berlin schickte, hätte mit mir genauso leichtes Spiel gehabt wie mit Ez Eldin und Said, die ebenfalls auf Leibwächter verzichtet hatten. Während ich im Veranstaltungssaal am Rednertisch Platz nahm, baute er sich am seitlichen Aufgang zum Podium auf. Ich bemerkte ihn nicht, weil der Saal so voll war, dass ohnehin viele Zuhörer stehen mussten, aber meinen palästinensischen Freunden aus Berlin fiel er auf. Sein Gesicht behagte ihnen nicht, das war alles, aber Grund genug, ihn zu umringen, noch bevor ich ein Wort gesagt hatte, aus dem Saal zu drängen und zur Rede zu stellen. Er habe den
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