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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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Eldin war gerade außer Haus, sein Stellvertreter vertröstete ihn auf den nächsten Tag, und als der Bittsteller anderntags wiederkam, zog er sofort den Revolver. Ez
Eldin und sein Stellvertreter konnten sich im letzten Augenblick in ein anderes Zimmer flüchten und verriegelten die Tür. Womit sie nicht gerechnet hatten: Der Attentäter hatte eine Handgranate dabei. Über der Tür gab es ein schmales Glasfenster, das zerschlug der Killer und warf seine Handgranate durch die Öffnung. Beide waren auf der Stelle tot. Auf Ez Eldins Begräbnis sahen wir PLO-Vertreter einander an und fragten: Wann kommst du an die Reihe? Es war makaber, aber jeder musste jetzt damit rechnen, der Nächste zu sein. Als die Erde auf Ez Eldins Sarg rieselte, musste ich den Blick abwenden.
    In jenen Jahren war es oft an mir, die verletzten Attentatsopfer zu besuchen, den Ermordeten das letzte Geleit zu geben und den Angehörigen von Getöteten in der ersten Verzweiflung nach einem Anschlag beizustehen. Das war schrecklich, und ich brauche nicht zu sagen, dass mir dieser Teil meiner Arbeit verhasst war. Aber seelische Zerreißproben gehören gewissermaßen zum Alltagsgeschäft eines Menschen, der so tief in den Nahostkonflikt verstrickt war wie ich. Die Geschichte dieses Konflikts ist durchsetzt von Augenblicken der Hoffnung, in denen wir uns vor Freude kaum fassen konnten, und von Phasen nackten Entsetzens, die alle seelischen Kräfte aufzuzehren drohten – wer da nicht kapituliert, muss mit einem schier übermenschlichen Durchhaltevermögen gesegnet sein.
    In der zweiten Hälfte der 70er-Jahre beispielsweise hatten wir in Europa einerseits allen Grund zur Befriedigung, weil es uns allmählich gelang, den Standpunkt des Rechts gegen die moralische Befangenheit eines ganzen Kontinents zur Geltung zu bringen – Arafat selbst nannte diese Zeit »die Jahre des Durchbruchs in Europa«. In die Genugtuung über diesen Erfolg aber mischte sich das Gefühl permanenter Bedrohung. Ich versuchte, mich von diesem Gefühl zu befreien, indem ich engen Kontakt zur Führung der Fatah hielt und häufiger als
jeder andere nach Beirut flog. Es beruhigte mich. Davon abgesehen lag mir daran, an die neuesten Informationen zu kommen; meinerseits hielt ich Arafat über die Entwicklung in Deutschland auf dem Laufenden und stellte fest, dass auch meine Erfahrungen im Umgang mit Journalisten für die Pressearbeit der PLO gefragt waren. Und dann, Ende Januar 1979, war es Arafat selbst, dem ich in tiefster Verzweiflung beistehen musste.
    Einige Wochen zuvor hatte mich Ali Salameh in Beirut zum Essen eingeladen. Dieser Mann, der den Beinamen der »Rote Prinz« trug und gewöhnlich mit Abu Hassan angesprochen wurde, war eine schillernde Figur. Er sah blendend aus, wie einem Hollywoodfilm entsprungen, seine Auftritte gerieten regelmäßig zum Ereignis, die Menschen kannten und liebten ihn. Er war ein Star, seine Hochzeit mit der Schönheitskönigin des Libanons hatte Schlagzeilen gemacht und innerhalb der Fatah für einige Aufregung gesorgt, aber er war kein Gigolo. Arafat hielt so große Stücke auf diesen Mann, der wie ein Cowboy schoss, blind traf und zu den furchtlosesten Menschen gehörte, die ich je kennengelernt habe, dass er ihn zum Chef der Gruppe 17 gemacht hatte, jener Abteilung, die für seine persönliche Sicherheit zuständig war. Mit anderen Worten, Abu Hassan war der ewige Schatten von Arafat, der ihn wie einen Sohn liebte.
    Bei unserem Essen erlebte ich Abu Hassan zum ersten Mal tief bedrückt. In den nächsten Monaten werde es in Beirut krachen, sagte er, Vorfälle wie die Morde in der Rue Verdun würden sich in Zukunft häufen, die Israelis hätten die Absicht, durch Kommandoaktionen Verwirrung zu stiften, es braue sich etwas zusammen. Keiner von uns beiden ahnte, dass sich das befürchtete Unheil über ihm selbst zusammenbraute, aber drei Wochen später war er tot: ein Opfer des israelischen Geheimdienstes – und seiner eigenen Schwäche für weibliche Schönheit.

    Abu Hassan hatte nämlich eine junge Deutsche kennengelernt, die ihn sicherlich nicht nur mit ihrem Plan, ein soziales Projekt zu fördern, für sich eingenommen hatte. Die beiden hatten sich mehrfach in Beirut getroffen. Am 22. Januar war er wieder einmal mit ihr verabredet, und kurz bevor die drei gepanzerten Limousinen mit Abu Hassan und seinen Leibwächtern das vereinbarte Ziel erreichten, explodierte auf ihrer Höhe ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug. Abu Hassan war

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