Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
Israelis üblicherweise zu ignorieren. Wie alle meine Kollegen in den europäischen Hauptstädten war ich daher froh, als die PLO auf einer Nationalratssitzung im Jahr 1977 beschloss, Gespräche mit Juden in aller Welt anzustreben, was im Klartext hieß: nicht nur mit Juden außerhalb Israels, auch mit Israelis.
Diese Öffnung war nicht ohne Brisanz, aber wir hatten festgestellt, dass die Juden weitgehend unter dem Einfluss der israelischen Propaganda standen und entsprechend schlecht über uns informiert waren. Abu Mazen war es, der den Delegierten damals mit der besten Rede seines Lebens die Zustimmung zu seinem Plan abrang, den Dialog mit verständigungsbereiten Juden zu suchen. Und es waren PLO-Vertreter wie Said Hamami in London, Ez Eldin Kalak in Paris, Naim Khader in Brüssel und ich in Bonn, die Abu Mazens Idee einer
vorsichtigen Annäherungspolitik als Erste in die Tat umsetzten – wobei ich mir schmeicheln darf, solche Kontakte schon viel früher unterhalten zu haben, nämlich seit 1969, und zwar ohne Rückendeckung durch die Fatah. Der Politik der PLO entsprachen meine Vorstöße nicht, aber ich habe auch nie einen Wink von Arafat oder Abu Dschihad bekommen, davon abzulassen. Acht Jahre nach meinem ersten öffentlichen Auftritt mit einem Juden wurde dieser Schritt nun legitimiert.
Was wir damals nicht für möglich hielten, war, wie gefährlich uns dieses Experiment werden sollte. Wir betraten ja Neuland, wir waren ein weiteres Mal Arafats Avantgarde, und uns war durchaus bewusst, dass wir mit Anfeindung zu rechnen hatten, auch aus den eigenen Reihen. Aber dass unsere Gesprächsbereitschaft für einige von uns zum Todesurteil werden würde, ahnten wir nicht.
Es war jedoch so, dass nun der Palästinenser Abu Nidal ins Spiel kam (»Nidal« bedeutet so viel wie »Widerstand leisten«) und über unser Schicksal nicht mehr allein in Israel entschieden wurde. Man tut diesem Mann nicht unrecht, wenn man ihn als blindwütigen Fanatiker bezeichnet; Verräter ließ er ermorden, und Verräter waren in seinen Augen alle, die Israel gegenüber eine kompromissbereite Haltung einnahmen. Berechenbar war er nur insoweit, als er grundsätzlich vor keinem Verbrechen zurückschreckte.
Seine Karriere hatte Abu Nidal als Fatah-Mitglied und PLO-Vertreter in Bagdad begonnen und sich schon damals durch Terroraktionen hervorgetan, die nur durch einen glühenden Hass zu erklären waren; Anschläge auf Synagogen in Österreich und der Türkei gingen auf sein Konto. Nach der Verabschiedung des Zehn-Punkte-Programms hatte sich dieser entschiedene Gegner einer Zwei-Staaten-Lösung mit der PLO-Führung überworfen, und von diesem Augenblick an betrachtete er uns als seine größten Feinde. Er begann, nach Gutdünken Todesurteile über PLO-Mitglieder zu verhängen
und durch gekaufte Killer vollstrecken zu lassen, auch in Europa. 1975 wurde er aus der Fatah ausgeschlossen, und als er daraufhin eine eigene Organisation im Libanon aufbauen wollte, ging Arafat gewaltsam gegen ihn vor.
Das erste Opfer in dem Privatkrieg, den Abu Nidal gegen die PLO führte, sollte 1974 Abu Mazen werden. Nicht zufällig stand Abbas ganz oben auf seiner Todesliste. Denn Abu Mazen war – zusammen mit Abu Said – schon bei der Entscheidung für die Zwei-Staaten-Lösung die treibende Kraft gewesen, hatte sich seither einen Namen gemacht als jemand, der für eine Verständigung und Verhandlungen mit Israel eintrat, und vertrat seinen Standpunkt mit außerordentlichem Mut. Abu Mazen kam davon, weil die Killer, die auf ihn angesetzt waren, uns von dem geplanten Mord in Kenntnis setzten, aber mit seinen nächsten Aktionen hatte Abu Nidal mehr Glück.
Am 4. Januar 1978 wurde mein Freund und Kollege Said Hamami in London buchstäblich hingerichtet. Sein Verbrechen bestand darin, mit Juden gesprochen zu haben. Der Mörder schoss ihm in den Kopf, nahm sich vorher aber die Zeit, ihn zu bespucken und als Verräter zu beschimpfen – ein Verfahren, das sozusagen zum Markenzeichen der Auftragskiller Abu Nidals geworden war. Der nächste Anschlag ließ nicht lange auf sich warten. Mit der Ermordung Ez Eldin Kalaks in Paris am 3. August desselben Jahres ging es weiter.
Ez Eldin war in Frankreich eine beinahe volkstümliche, allgemein beliebte Gestalt, man kannte ihn von seinen Auftritten in Radio- und Fernsehsendungen. Am Tag vor dem Mord tauchte ein Mann in seinem Büro über einem Pariser Café auf und gab sich als Palästinenser aus, der in Not geraten sei. Ez
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