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Der Gesang der Haut - Roman

Der Gesang der Haut - Roman

Titel: Der Gesang der Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Picus-Verlag
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Verhüllungskunst und in seiner Sprachfertigkeit, sein Leben wurde zu einem Versteckspiel, eine Folge akrobatischer Kunststücke, alles ging verloren, nicht aber die Fähigkeit, wieder mit beiden Füßen und hellem Lachen auf den Boden zurückzufinden. Da sah sie hinter ihrem eigenen Wagen eine kleine Frau in einem gelben Kleid, und eine Sekunde lang dachte sie, schon wieder diese Frau Sanderia, jetzt aber war sie selbst von der Sonne geblendet und unsicher, ob die Frau in Gelb eine Schwarze war oder nicht, oder ob die Eifersucht sie mit Erscheinungen verfolgte. Schon war die Silhouette im Sonnenlicht entschwunden. Warum hast du nicht gesagt, dass du mich abholen willst?, hatte Gert gefragt.
    Der junge Mann ist nett, sagte er jetzt plötzlich und holte Henrietta aus ihrer Träumerei. Henrietta, hörst du mir zu? Sag mal, warum erzählst du jedem, der es hören will, dass ich krank bin? Findest du das lustig? Ist das deine Rache?
    Jedem nicht, und meine Rache wofür?
    Er antwortete nicht und legte eine CD in den Player. Die Klaviermusik floss in den Raum und tauchte alles in blaues Gewässer.
    Nocturne Opus neun Nummer eins, ist das nicht schön?, sagte er.
    Das Pendel, Gert. Das geht sowieso nicht im Takt deines Opus!
    Er stand seufzend auf, ging ins Esszimmer, wo die Uhr stand. Sie hörte, wie er das Pendel anhielt.
    Apropos, Gerd, jemand hat heute Nachmittag für dich angerufen, ich hätte es beinahe vergessen.
    Moira?
    Aha. Madame Sanderia heißt also Moira. Sie spukt immer mehr in diesem Haus. Nein, ein Herr, Herr Fischer. Ludo Fischer.
    Was wollte denn dieser Fischer?
    Keine Ahnung. Er ruft morgen wieder an.
    Aber Gert hörte schon nicht mehr zu, er schloss die Augen, ließ sich von der Musik forttragen.
    Es klopfte und quietschte in Henriettas Schädel, es wurden dort eigenartige Bilder zermahlen, etwas presste sich zusammen. Sie stand auf, ging auf und ab, in den Flur, schwankte, hielt sich an der Wand fest. Ich würde gern, sagte sie, eine Kreuzfahrt mit dir machen. Sie nahm einen Hut von der Ablage und setzte ihn auf: Passt er noch, Gert? Aber Gert schaute nicht mal hoch. Er nahm Ferien von ihr.
    Sandria oder Sangria oder Sandrina oder Sanderia. Egal. Der Name ist warm und knistert. Ein schwarzer Körper im goldenen Licht. Spanische Musik weit weg am Strand, vielleicht aus der Bar oder aus einem Radio. Sie liegt und er liegt auf ihr. Natürlich. Ihr Körper sinkt in den Sand, dieser Sand versinkt zum tiefen Glück hin, das Glück juckt, zu viel Sand, um sich zu lecken, er spielt rein und raus, rein und raus, gerötet und feucht die Vorhaut, die sich zurückrollt, so empfindlich das nackte Tierchen und grausam jedes Sandkorn, welches das Räderwerk der Welt stört oder zerstört. Schnell rein ins Feucht-Warme, großes Männchen feiert, gegen jede Gefahr gefeit. Ich gebe dir das Fläschchen, Baby, flüstert er ihr ins Ohr. Debile Witze, sagt sie, und er: Ich schiebe ihn dir rein, sagt er, ich habe den da mit Sonnenöl eingerieben. Glitsch glitsch, wir schieblieben, sagt er, wir schieblieben, sagt Carolin. Carolin, weiche Lippen, rosa spitze Zunge, weiße Brüste. Wenn ich malen könnte, sagt er. Auf und ab. Ihre Brüste flüstern feuchte Dinge, hört sich wie ein süßer Popsong an, Donnerwetter, die Brüste haben einen Popsong erfunden. Er spürt, dass er wach ist, er träumt nicht, er erinnert sich, rekonstruiert: Fast hätte er sie geliebt, diese Carolin mit den poppigen Brüsten, ihr Jungfernhäutchen hatte er durchbohrt, blutig rausgeholt wie die Fahne des Besiegten, haha, nur ihren Geruch mochte er nicht. Jeder Haut ihr Geruch. Carolins Hautgeruch war fischig, nur am Meer erträglich. Ihre Parfums nutzten nichts, wenn sie bumsten. Das Original ist immer vaginal, Mädchen, alles andere ist Fälschung, sagte er und schloss wieder die Augen.
    Der Mond über ihnen pendelt hin und her, wo das Hin und das Her ist, weiß man nicht, jeder kann es sich nach Gusto zurechtmachen, denn niemand weiß, wann und wo es angefangen hat.
    Er lächelte, als er die Augen öffnete und die Augen einer Greisin erblickte. Du bist eingeschlafen, sagte Henrietta, lass uns ins Bett gehen.
    Die Musik umarmte sie beide.
    Chopins Nocturne, sagte er, Opus neun.
    Genau, sagte sie.

5
    E in Schaben, ein metallisches Kratzen hatte Viktor geweckt. In seinem Traum hantierten ein Arzt und sein Gefolge in weißer Tracht. Viktor selbst lag in einem Krankenhausbett und staunte über die Ähnlichkeit des Oberarztes mit seinem Großvater, er

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