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Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Titel: Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Stimmung und suchte im flüchtenden
Don Giovanni
sein Ziel. Er stürzte aus einer der Türen, rannte den zweiten Umlauf des Bühnenbildes entlang, die Treppe hinunter auf die Mitte zu, wo sich die Couch mit dem unbeeindruckten Leporello befand.
Don Giovanni
, in Person des Japaners Takahashi, trug einen Seidenanzug und führte in der Hand den Liebesbeweis der heutigen Nacht – das Neglige der Donna Anna. Er warf es Leporello hin, der die Trophäe aufbewahren sollte.
    Stimmgewaltig betrat Anna den Umlauf. Ihr zorniges Non sperar schallte durch den Raum, als wolle sie allen Männern den Garaus machen. Das schaffte sie zumindest beim Dirigenten Stiller. Als er sie sah, erfroren seine Arme in der Bewegung, die Musik verebbte.
    »Aus!«, rief Raimondi aus dem Dunkel des Zuschauerraums auf die Bühne. »Was ist mit dem Orchester los? Wieso spielt es nicht weiter?«
    Das Arbeitslicht ging an.
    »Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein«, sagte Stiller über die Schulter nach hinten, während er mit dem Dirigentenstab auf die Donna Anna zeigte.
    Kayleen trug eine bordeauxrote, spitzenbesetzte Korsage, die ihre bereits üppigen Brüste noch mehr betonte. Darunter ein französisches Seidenhöschen, Strapse, Strümpfe und Pumps. Sie bewegte sich auffallend sicher in dieser Kleidung und den Schuhen und war in wenigen Schritten die Treppe hinunter auf die Bühne gekommen. So, wie sie jetzt dort stand, erinnerte sie an eine gepflegte Professionelle, nicht billig oder heruntergekommen, sondern sinnlichverführerisch einem Liebesabenteuer gegenüber aufgeschlossen, bereit für den anspruchsvollen Herrn.
    »Was ist nicht mein Ernst?«, fragte Raimondi.
    »Na, die Donna Anna natürlich«, antwortete Stiller.
    »Die hat ja überhaupt nichts mehr an.«
    »So, wie ich sie sehe, hat sie sündhaft teure Dessous von einem französischen Hersteller an. Der hat dafür bezahlt. Das nennt sich Product-Placement. Wo liegt das Problem?«
    Stiller drehte sich jetzt zu ihm um, die Arme verschränkt, bereit für die nächste Schlacht. »Ich erkenne diese Oper bereits in der ersten Szene nicht wieder. Das Bühnenbild ist das einer Talk-Show, der Leporello ist ein snobistischer Butler, der
Don Giovanni
ist die asiatische Ausgabe eines Unterwäsche-Fetischisten und die Donna Anna … mein Gott, die schaut ja wie ’ne Edelnutte aus.«
    »Ja, und?«
    Stiller rang nach Worten. »Das geht so nicht. Was werden die Zuschauer sagen? Die werden glauben, dass wir völlig verrückt geworden sind. So was hat es in Würzburg noch nie gegeben. Das ist Pornographie.«
    »Es geht um Geilheit. Die ganze Oper ist voll davon. Sie ist
Don Giovanni
s Motivation. Ohne Geilheit kein
Don Giovanni

    »Aber nicht die Donna Anna. Die ist doch die Verfechterin von alten Werten. Anstand und Moral. Wie kann die als Nutte auftreten?«
    »Ja, nach außen hin. Aber innerlich verspürt sie dieselben Triebe. Und glauben Sie etwa, dass reizvolle Unterwäsche Sexualität zu etwas Unanständigem macht?«
    Stiller kapitulierte. »Ich … ich weiß nicht.«
    Raimondi drückte den Knopf des Mikros an seiner Seite.
    »Fünf Minuten Pause.«
    Er erhob sich, ging den Gang zum Orchestergraben hinunter und bedeutete Stiller, dass er mit ihm nach draußen kommen solle. Stiller folgte. Ein paar Schritte dahinter Kilian.
    In Sichtweite zündete Kilian ein Zigarillo an und inhalierte tief. Er beobachtete Raimondi, der die Einsprüche Stillers zu entkräften suchte. Im Verhältnis der beiden hatte sich etwas verändert. Stiller blockte die Erklärungsversuche Raimondis nicht mehr rigoros ab. Er hörte aufmerksam zu, ließ sich das Gesagte durch den Kopf gehen, nickte schließlich. Kilian fragte sich, was in den vergangenen Stunden geschehen sein musste, dass Stiller nicht mehr auf seine allumfassende Autorität pochte. Hatte man sich im Dreigestirn Reichenberg, Stiller und Raimondi darauf verständigt, dass Raimondi die Richtung vorgab? Irgendetwas stimmte hier nicht.
    Sein Eindruck wurde verstärkt, als Franziska durch den Haupteingang auf ihn zukam. Normalerweise betrat sie immer über den Bühneneingang das Haus, nachdem sie ihr Fahrrad dort abgestellt hatte. Sie hielt in großen Schritten auf den Eingang des Großen Saals zu. Motorik und Gestik verrieten, dass sie aufgebracht war. Sie ignorierte Kilian, obwohl sie ihn gesehen hatte.
    »Hallo, Franziska«, rief Kilian ihr nichts ahnend zu, »haben Sie verschlafen? Die Probe hat schon begonnen.« Sie machte abrupt Halt, ging auf Kilian zu und

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