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Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Titel: Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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einen kräftigen Schluck aus der Kaffeetasse. Wegen unüberwindbarer Meinungsverschiedenheiten bei der Inszenierung des
Don Giovanni
sei eine Auflösung des Vertrages kurz vor der Premiere unausweichlich gewesen, so der Intendant Reichenberg. Auf die Schnelle würde die Stelle nicht mehr besetzt werden können, daher würde der Intendant selbst in den verbleibenden Tagen retten wollen, was noch zu retten sei. Der Generalmusikdirektor Beat Stiller würde ihn bei der Probenarbeit unterstützen. Er sei zum Premierentermin zwar an einem anderen Haus disponiert, doch habe er dieses Engagement zum Wohle des Hauses mit dem zweiten Kapellmeister Rainer Pohlmann besetzen können.
    Von dem geschassten Regisseur Raimondi war bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme mehr zu bekommen gewesen. Die Oberbürgermeisterin der Stadt Würzburg und Dienstherrin des Mainfrankentheaters war sehr überrascht über die unerwarteten Differenzen zwischen Regisseur und Intendanz, hatte man sich doch vorher über die Verpflichtung des Weltstars sehr gefreut. Trotz allem habe sie vollstes Vertrauen in die Leitung des Theaters bei der Aufführung der Mozartoper.
    Kilian legte das Blatt zur Seite. Aus dem Zimmer Raimondis hörte er dessen Stimme. Natürlich telefonierte er. Offenbar mit jemand, den er zu beruhigen suchte. Nichts sei so, dass man die Absprache revidieren müsse. Er bat um Vertrauen, es würde sich bis zur Premiere alles wieder einrenken.
    An der Tür klingelte es. Kilian ging, um zu öffnen. In der Tür stand der Hotelpage. Er bat um Anweisungen, wie mit dem Tross der Journalisten, die in der Lobby auf eine Stellungnahme Raimondis warteten, zu verfahren sei.
    »Sagen Sie ihnen, dass ich in fünfzehn Minuten zur Verfügung stehe«, rief Raimondi herüber.
    Er stand aus dem Bett auf und kleidete sich an.
    »Was ist hier eigentlich los?«, fragte Kilian.
    »Haben Sie es nicht gelesen?«
    »Doch, deswegen frage ich ja.«
    »Dann ist Ihre Frage beantwortet. Man hat mir gekündigt.«
    »Wann ist das passiert und wieso?«
    »Gestern Abend. Reichenberg hat mich zu sich bestellt, nachdem er das neue Bühnenbild und die Kostüme gesehen hatte. All das schien ihm nicht gefallen zu haben.«
    »Aber …«
    »Ich weiß«, unterbrach Raimondi. »Natürlich hat dieser Stiller seine Finger im Spiel. Ich vermute sogar, dass er der eigentliche Grund für die Kündigung ist, vielmehr, dass er nicht mit mir arbeiten kann.«
    »Wollte nicht der zweite Kapellmeister den Don Giovanni dirigieren?«
    »Das war, bevor ich die Fernsehsender für eine LiveÜbertragung gewinnen konnte. Das hat alles geändert. Das Publikum ist von siebenhundertfünfzig im Saal auf über hundert Millionen potenzielle Zuseher im deutschsprachigen Raum angewachsen. Da vergisst man schon die eine oder andere Zusage bei einem anderen Haus.«
    »Und das lassen Sie sich einfach so gefallen?«
    »Einen Teufel werde ich.«
    Raimondi war angezogen, hatte die Haare gekämmt und einen letzten Schluck aus der Kaffeetasse getrunken. »Auf in den Kampf.«
    Zusammen gingen sie die Treppen nach unten. Die Lobby war, wie der Hotelpage sagte, mit Journalisten, Kameras und Mikrophonen überfüllt. Eine Ecke war für die Stellungnahme Raimondis ausgeleuchtet.
    Er trat in das Licht der Scheinwerfer. »Meine Damen und Herren, es freut mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Der Anlass, zu dem ich Sie eingeladen habe, ist weniger erfreulich. Ich möchte es an dieser Stelle kurz machen und Ihnen sagen, dass ich nicht ohne Kampf von meiner Regiearbeit zurücktreten werde. Die Anschuldigungen, die vonseiten der Intendanz gegen mich erhoben worden sind, sind haltlos und entbehren jeglicher vertraglicher Grundlage.
    Vielmehr ist das eingetreten, was am Mainfrankentheater traurige Berühmtheit erlangt hat. Und das lässt sich in einem Wort ausdrücken: Mittelmaß.
    Ich bin nicht nach Würzburg gekommen, um mich von Provinzmanagern und selbstverliebten Kapellmeistern in meiner künstlerischen Arbeit beschneiden zu lassen. Stattdessen versprach man mir freie Hand bei der Inszenierung einer Oper, die, und das gestatten Sie mir in aller Bescheidenheit zu sagen, niemand besser kennt als ich.
    Ich möchte Sie nun einladen zu dokumentieren, wie ich meinen Arbeitsplatz aufsuche, um zu Ende zu führen, was ich begonnen habe. Bitte folgen Sie mir.«
    Raimondi ging voran, Kilian an seiner Seite. Journalisten und Kameraleute schlossen sich an. Während der kurzen Strecke vom Hotel bis zum Mainfrankentheater

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