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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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winzigen Augenblick schien die Frau zu zögern. Dann schüttelte
sie wieder den Kopf. »Wir singen alle hin und wieder, das hat nichts zu
bedeuten. Und wir fühlen uns alle klein und zierlich.« Etwas überraschend kam
ein tiefes, donnerndes Gelächter tief aus ihrer Brust. Die anderen Frauen
stimmten ein.
    So schnell wollte John sich nicht abspeisen lassen. »Sie war noch
zierlicher als Sie alle. Mit einem karierten Männerhemd in Rot-Schwarz. Und
einem ganz eigenen Lied. So eine Melodie habe ich noch nie vorher gehört …«
    Energisch fing die Frau wieder an, mit ihrem Besen die
Zigarettenkippen zusammenzukehren. Fast unwirsch antwortete sie ihm über die
Schulter: »So eine Frau gab es hier nicht. Für Sie gibt es bei uns überhaupt
keine Frau, das sollten Sie wissen!« Jetzt legte sie all ihre Energie in das
Kehren. John war klar, dass er von ihr nichts erfahren würde – auch wenn er
sich sicher war, dass sie wusste, von wem er da redete. Fast flehend hob er die
Hand, um sie doch noch zu einer Antwort zu bewegen. Aber sie sah ihn nicht
einmal mehr an.
    In Gedanken ging John ein paar Stufen hinunter und sah nachdenklich
den Pferden bei der Morgenarbeit zu. Die Rennbahn war seine einzige Spur zu der
geheimnisvollen Maori gewesen. Wahrscheinlich musste er den Traum aufgeben, sie
jemals wiederzusehen oder das Lied noch einmal zu hören.
    In dieser Sekunde legte sich eine schwielige Hand auf seinen Arm.
»Sie heißt Paikea. Sie ist dem Ruf ihres Namens in den Süden gefolgt – ich habe
keine Ahnung, wohin.«
    Er fuhr herum und sah einer jüngeren Frau aus dem Reinigungstrupp
ins Gesicht. Sie sah ihn eindringlich an. »Du siehst aus wie ein guter Mann,
und wenn du sie suchst, dann sollte man dir helfen. Höre nicht auf Keisha, die
glaubt nicht mehr an das Gute im Menschen …« Sie warf einen Blick auf die Frau,
die John gerade eben keine Auskunft gegeben hatte. »Und sie hält nichts davon,
dass Maori und Pakeha miteinander befreundet sind.«
    John nahm ihre Hand und umschloss sie mit beiden Händen. »Ich kann
nicht sagen, wie dankbar ich bin. Wie lange ist es her, dass sie gegangen ist?«
    Â»Paikea? Die verschwand vor zwei Jahren oder so. Hat sowieso nie
wirklich zu uns gehört. Nicht nur, dass sie von einem anderen Stamm kam und
andere Lieder gesungen hat – sie war sich auch immer sicher, dass sie nicht in
alle Ewigkeit den Dreck der Weißen wegräumen will. Wie ich gesagt habe: Sie ist
dem Ruf ihres Namens gefolgt. Hat sie selbst gesagt, was immer sie damit
gemeint hat.« Sie zuckte mit den Achseln. »Wir wissen alle, dass es kaum eine
andere Arbeit als so etwas wie das hier für uns gibt.«
    Â»Wirst du fürs Reden oder fürs Putzen bezahlt?« Die ältere Frau rief
in einem befehlsgewohnten Ton nach ihrer Mitarbeiterin. Die ließ Johns Hand so
schnell los, als sei sie giftig, und ging die wenigen Schritte zurück an die
Stelle, an der sie ihren Besen liegen gelassen hatte.
    Â»Danke!«, rief er ihr noch nach.
    Doch sie ließ sich nicht anmerken, ob sie ihn gehört hatte. Mit
verbissener Miene kehrte sie den Abschnitt der Tribüne, der vor ihr lag. Auch
die anderen schenkten John jetzt keinen einzigen Blick mehr. Die Alte hatte sie
offensichtlich gut im Griff.
    Hier konnte er wohl keine Information mehr holen. Mit einem leichten
Achselzucken wandte John sich ab und machte sich auf den Nachhauseweg. Zeit für
ein Frühstück. Aber er hatte einen Namen, den er den ganzen Weg in die Stadt
leise vor sich hin sagte. Paikea. Das klang, fand er, wie eine wunderbare
Melodie …
    Einige Wochen später erst erfuhren John und Jason, dass die
Kiwifrüchte allesamt verkauft waren. Kein reißender Absatz, aber die meisten
Hausfrauen hatten bei ihrer Suche nach einem neuen und exotischen Geschmack für
ihre Dollars irgendwann die haarige, grüne Frucht gefunden und gekauft. Jason
entschied sich, mit dem Export der Kiwifrüchte weiterzumachen.
    Â»Jeder, der die Dinger einmal probiert hat, wird sie wieder kaufen –
wir können nur gewinnen!«, erklärte er an einem ruhigen Nachmittag im Büro. Um
dann nach einer Mappe zu greifen und sie John in die Hand zu drücken. »Und hier
habe ich auch schon meine nächste Idee! Es gibt jetzt die ersten komplett
gekühlten Frachter, die trotzdem halbwegs wirtschaftlich sind. Wenn wir unser
Lamm damit verschicken, dann

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