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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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der ihn aus seinen
Zeiten in der Milkbar womöglich wiedererkannte. Also war er kein einziges Mal
auch nur in der Nähe der Queen Street aufgetaucht und hatte Rock-’n’-Roll-Konzerte gemieden. Gleichzeitig trug er seine Haare jetzt kurz, hatte
einfache Tuchhosen und Jacken an, wie sie auch die Hafenarbeiter liebten: aus
festem Stoff, mit einem Reißverschluss und einem Gürtel. Selbst bei seinen Schuhen
verzichtete er auf jede Extravaganz, er hatte einfache, feste Arbeiterschuhe
mit einer runden Kappe – weit entfernt von den alten Zeiten, als er diese spitzen
Tanzschuhe besaß. Wenn ihm auf der Straße doch einmal gleichaltrige Bodgies
entgegenkamen, verschwand er in einer Nebenstraße. Er wollte keinen Ärger mehr.
Und noch viel weniger wollte er aus Versehen Maureen treffen!
    Nachdenklich sah er auf den Zettel, auf den er seit ein paar Minuten
gedankenverloren herumkritzelte. Melonen. Minimelonen. Minilonen. Er stand auf
und drehte das Radio an. Eine der unzähligen Bands mit drei oder vier Frauen
sang etwas von Liebe und Verlust – die Tenderettes. Vielleicht ließ sich daraus
etwas machen? Er malte nachdenklich einen Kreis. Melone. Melonettes. Das war es!
    Begeistert sah er auf, um seinem Chef von seiner neuen Idee zu
erzählen – und war überrascht, dass er inzwischen allein in dem halbdunklen
Büro saß. Offensichtlich war er so vertieft in seine Aufgabe gewesen, dass er
es einfach nicht gemerkt hatte, als Jason Turner den Raum verlassen hatte. John
lächelte, schrieb ordentlich auf einen Zettel »Melonettes« und legte ihn Jason
auf den Tisch. Erst dann löschte er das Licht und machte sich auf den Weg nach
Hause.
    Als er vor das kleine Bürohaus trat, atmete er tief durch. Nach all
den Jahren liebte er immer noch diesen Geruch nach Salzwasser, Tang, Öl und exotischen
Früchten, der immer über den Lagerhäusern von Turners & Growers lag. Hier
fühlte er sich wohl …
    Â 
    Am nächsten Morgen
begrüßte ihn Jason, indem er begeistert mit dem Zettel von John herumwedelte.
»Das ist genial! Ich habe mich schon darum gekümmert, dass die Dinger künftig
unter diesem Namen vermarktet werden. Pass nur auf, das wird ein Riesending –
und deine Eingebung hat es möglich gemacht. Ist das nicht großartig?«
    Den Rest des Tages verbrachten sie
damit, neue Packzettel für die flachen Transportkisten, die John am Vortag
ausgewählt hatte, zu entwerfen und zu bestellen. Jason war überrascht, als er
zwischendrin einmal einen Blick in eine der Kisten warf und einen Pappkarton
herausfischte. »Was ist das?«
    Â»Eierkartons«, belehrte John ihn. »Ich habe gestern alles
ausprobiert, um deine neue Lieblingsfrucht gut zu verpacken. Was als Einziges
wirklich funktioniert, ist diese Verpackung mit Eierkartons. Dann fliegen die
Früchte nicht durcheinander und bekommen keine Druckstellen. Wirst sehen, damit
bekommen wir nur ganz wenige Reklamationen für matschige Früchte!«
    Â»Sie werden uns die Teile aus der Hand reißen, egal ob Druckstellen
oder nicht!«, erklärte Jason. »Schließlich sind Melonettes einfach der neueste
Schrei in den USA. Nicht mehr lange, und es gibt
Melonette-Marmelade und Melonette-Limonade!«
    Wie so oft wollte Jason seinen Freund noch zu einem Bier einladen.
»Mach eine Ausnahme! Wir müssen unseren Erfolg feiern!«, bat er.
    Aber John machte eine abwehrende Handbewegung. »Ich habe für den
Rest meines Lebens ausreichend getrunken, damit will ich nie wieder anfangen,
kannst du mir glauben. Ich möchte lieber noch etwas nachsehen.« Er winkte und
verschwand wieder in dem Bürohäuschen. »Wir müssen unsere Melonettes
schließlich auch beim US-Zoll anmelden – ich
kümmere mich dann schon einmal um die Formalitäten.«
    Wenige Minuten später saß er wie versunken vor einem dicken Buch,
das alle Einzelheiten der amerikanischen Zollgesetze enthielt. Wenn er die
komplizierte Amtssprache richtig übersetzte, dann verlangten die USA eine Sondersteuer für Melonen. Ausgerechnet Melonen. Es
würde wohl schwierig werden, zu erklären, warum Melonettes zwar so hießen wie
kleine Melonen, aber eigentlich Chinesische Stachelbeeren waren. Die aber
wiederum nichts mit Stachelbeeren zu tun hatten. Er war realistisch genug, um
zu wissen, dass er am Zoll scheitern würde. Seine Melonettes waren ein Flop,
noch bevor sie das erste

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