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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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diesem Moment fing die hölzerne Veranda
Feuer. Mit ein paar schnellen Schritten lief sie durch den Raum, nahm sich
dabei das Patchwork-Plaid, das auf der Couch lag, und schob mit einigem Kraftaufwand
die Tür auf, die nur noch schräg in den Angeln hing. Dann warf sie das Plaid
auf den Boden und trampelte so lange darauf herum, bis sie sich sicher war,
dass das Feuer gelöscht war. Sie wagte einen weiteren Blick in das Haus. Aus
der perfekten Heimat einer glücklichen Familie war ein Chaos entstanden. Erst
jetzt kam Katharina der Gedanke, dass ihren Freunden etwas passiert sein
könnte.
    Â»Sina? Brandon? Ava?« Laut rufend ging Katharina zurück in das Haus.
Langsam öffnete sich im Inneren die Tür zum Schlafzimmer von Brandon und Sina.
Brandon tauchte hustend auf. »Ein Erdbeben! Ein verdammtes Erdbeben!«, rief er
immer wieder.
    Â»Ist euch etwas passiert?«, fragte Katharina. »Wo ist Sina?«
    Brandon schüttelte den Kopf. »Uns geht es gut. Es ist nur ein
Schrank umgefallen und hat unsere Tür versperrt. Bei dir auch alles in
Ordnung?«
    Katharina nickte und sah sich weiter um. »Was ist mit Ava?«
    Im selben Augenblick hörten beide das schrille, panische Geheul aus
dem Kinderzimmer. Brandon rannte die wenigen Schritte bis zur Tür, riss sie mit
aller Macht auf und verschwand im Dunkel dahinter – Katharina war ihm auf den
Fersen. Das Zimmer lag komplett im Dunkeln. Weil Ava noch bei Tageslicht ins
Bett ging, waren die Rollos ganz heruntergelassen. Ein vergeblicher Griff zum
Lichtschalter verriet, dass der Strom wohl ausgefallen war. Katharina blinzelte
und kniff die Augen zusammen – aber sie sah nur Schemen.
    Sina tauchte mit einer Taschenlampe auf, die Strahlen tanzten wie
Finger durch die staubige Luft. Dann erfasste der Schein das kleine Gitterbett.
Das Kopfteil – eine sorgfältig ausgesägte und angemalte Prinzessin mitsamt
Krone und Frosch – war nach vorn gekippt. Brandon riss es mit einem Anflug von
Panik nach oben, während er murmelte: »Hab keine Angst, Liebling. Keine Angst,
Daddy ist doch da.« Ava wimmerte dabei nur leise. Es dauerte ein Weilchen, bis
Katharina verstand, was die Kleine sagte. »Avas Hand … tut so weh … Avas Hand …
Daddy!«
    Irgendwann gelang es Brandon, seine Tochter aus den Überresten ihres
niedlichen Bettes zu befreien. Dieser Geschmack war bei kleinen Mädchen wohl
weltweit der gleiche …
    Brandon nahm seine Tochter in die Arme und trug sie in das
Wohnzimmer. Er tröstete sie, während Sina vorsichtig ihre Hand untersuchte.
Nach wenigen Augenblicken setzte sie sich auf. »Ich denke, sie hat sich das
Handgelenk gebrochen. Ich brauche ein Röntgengerät – aber wenn es in der ganzen
Stadt aussieht wie hier und überall der Strom ausgefallen ist …« Sie wandte
sich Brandon zu. »Bring mir bitte meine Arzttasche. Sie ist im Auto, ich habe
sie gestern gar nicht mit ins Haus genommen, nachdem ich Katharina abgeholt
hatte. Ich brauche ein Schmerzmittel – und mit ein bisschen Glück habe ich auch
eine Plastikschiene für Avas Handgelenk dabei!«
    Wenige Augenblicke später war Brandon mit der schweren schwarzen
Tasche wieder da. Sina sah die Plastikschiene nachdenklich an. »Die ist natürlich
viel zu groß für so ein Kinderhandgelenk. Aber mit einer Schere müsste ich sie
verkleinern können …« Sie fing an, vorsichtig daran herumzuschneiden, während
Brandon sich auf den Boden sinken ließ. »Draußen herrscht das totale Chaos. Es
sieht aus, als wäre in unserer Straße eine Bombe eingeschlagen … Wenn wir wenigstens
ein Radio hätten, dann wüsste ich, was los ist!« Er stand wieder auf und
verschwand in der Küche. Nachdem er eine Zeit lang herumgewühlt hatte, tauchte
er mit einem kleinen Transistorradio wieder auf. Er schaltete es an und hielt
sich das rauschende Ding an das Ohr. Nachdem er weitergesucht hatte, ertönte
die amtlich klingende Stimme eines Nachrichtensprechers. »… viele Straßenzüge
sind verwüstet, weite Teile von Christchurch sind im Moment ohne Strom und ohne
Wasser. Die Ordnungskräfte können noch keine Angaben über Opfer machen. Aber
Christchurch hatte wohl Glück im Unglück: Da das Erdbeben mitten in der Nacht
passiert ist, waren wenige Passanten, Autos oder Busse unterwegs. Die Bewohner
der Küstenregionen werden vor einem

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