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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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Eingang stand eine Menschenmenge. »Das ist das Horrorszenario
für jeden Arzt!«, murmelte Sina und winkte ihren Begleitern, ihr zu einer
kleinen Nebentür zu folgen. Sie drückte dagegen, und tatsächlich standen sie
Sekunden später in einem dämmrigen Gang. Zielstrebig machte sich Sina auf den
Weg, lief über Treppen und durch verwaist daliegende Gänge bis zu einer
weiteren schweren Eisentür. Als sie die aufschob, schien es so, als wären sie
direkt in einem Albtraum gelandet. Männer, Frauen und Kinder auf  Tragen oder einfach auf dem Boden
sitzend. Es war schwer zu sagen, wer der Verletzte war und wer nur als Begleitung
danebensaß. Sina schob Brandon und Katharina in einen kleinen Raum, rief noch,
dass sie gleich wiederkommen würde – und verschwand in dem Wirbel von
Krankenschwestern, Pflegern und Ärzten, der in den Gängen herrschte.
    Brandon sah ihr ein wenig ratlos hinterher. »Ich hoffe, dass sie
weiß, was sie da tut!«, murmelte er schließlich und hob vorsichtig seine
Tochter von seinem Rücken. Ava schien nichts zu merken. Sie schlief weiter,
atmete tief und regelmäßig. Ihr Vater bettete sie behutsam auf ein paar Decken,
die in der Ecke herumlagen. Dann setzte er sich daneben, legte einen Arm auf
Avas Schultern und schüttelte langsam den Kopf. »So etwas habe ich noch nie
gesehen«, murmelte er immer wieder.
    Katharina hob fragend ihre Kamera. »Hast du etwas dagegen, wenn ich
herumlaufe und ein paar Bilder mache?«
    Â»Nein, du kannst mir im Moment sowieso nicht helfen.« Brandon sah
sich in der Kammer um. »Aber wenn du irgendwo einen Tee oder einen Kaffee
ergattern könntest, dann wäre ich wirklich dankbar! Diese Nacht war eindeutig
zu kurz …«
    Â»â€¦Â und leider haben wir am Vorabend tüchtig Wein getrunken!«,
vollendete Katharina lächelnd seinen Satz. »Ich schau mal, was ich tun kann.«
    Damit machte sie sich auf den Weg. Schnell wurde ihr klar, dass es
vor allem eine Unzahl leichter Verletzungen war, die die Einwohner
Christchurchs davongetragen hatten. Die meisten hatten Prellungen,
Quetschungen, Verstauchungen und Platzwunden. Sie waren schockiert über die
Schwere des Erdbebens – aber die Holzhäuser, in denen der größte Teil der Menschen
wohnten, hatten den Bewegungen der Erde standgehalten. Katharina fotografierte
ein paar Kinder in Schlafanzügen, die müde auf einer Decke saßen – und
entdeckte dann Sina, die in diesem Moment aus einem der Zimmer kam. »Ich kann
jetzt an einen der Röntgenapparate!«, erklärte sie. »Komm, wir holen Ava!«
    Minuten später hatten sie Sicherheit: Ava hatte einen glatten Bruch,
der nur geschient werden musste. Ein Orthopäde des Hospitals kam an Avas Bett,
richtete den Arm ein und legte eine Schiene an. Dann betrachtete er das kleine
Mädchen stirnrunzelnd. »Ich würde eine Blutuntersuchung machen. Die Kleine
sieht irgendwie zu blass aus, selbst nach so einer Nacht … Müssen Sie aber
nicht machen, Sie sind ja selbst Ärztin, Ihnen wäre bestimmt etwas aufgefallen
…«
    Sina sah ihn überrascht und ein wenig alarmiert an und ertastete
dann prüfend den Puls ihrer Tochter. »Als ob jetzt jemand Zeit für eine
Laboruntersuchung hätte. Aber wenn Sie meinen, das wäre angebracht …« Sie
schüttelte den Kopf. »Kann ja nicht schaden … und richtig rosig sah sie in
letzter Zeit wirklich nicht aus«, sagte sie schließlich eher zu sich selbst und
entnahm dem Arm ihrer Tochter eine Blutprobe. Sie beschriftete den kleinen Glaskolben
sorgfältig und verschwand damit noch einmal in den Gängen des Krankenhauses.
Als sie wiederkam, lächelte sie Brandon an. »Es tut mir leid, Schatz, aber ich
werde hier jetzt wirklich gebraucht. Kannst du Ava allein mit nach Hause
nehmen? Ich helfe hier ein paar Stunden, bis die meisten Verletzten versorgt
sind. Ist das in Ordnung?« Sina sah ihren Mann fragend an.
    Brandon nickte. »Das kann ich verstehen. Ich räume zusammen mit
Katharina ein bisschen auf. Wenn wir die Regale wieder aufstellen und die Bücher
einräumen, sollte es nicht mehr so schlimm sein. Und vielleicht haben wir
Glück, und der Strom funktioniert schon wieder.«
    Sina drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Bist ein Schatz. Bis
nachher!« Damit verschwand sie wieder im Gewimmel der Notaufnahme. Brandon und
Katharina blieben

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