Der Gesang der Maori
um
das aufzuweichen«, meinte Matiu leichthin. »AuÃerdem â¦Â«
Zu einer längeren Erklärung kam er nicht. Ein Aufschrei ging durch
die Kneipe, auf dem Bildschirm sah man jetzt Männer im schwarzen Rugby-Dress
auf das Spielfeld laufen. Kurz darauf führten sie ihren Haka auf â und sahen
dabei wirklich furchterregend aus. Katharina erinnerte sich daran, dass Sina
während ihres Urlaubs immer wieder von einem tanzenden Maori geträumt hatte.
Wer den Haka der All Blacks sah, der konnte leicht verstehen, warum das
Albträume gewesen waren. Die Spieler versuchten wirklich alles, um ihre Gegner
in Angst und Schrecken zu versetzen, streckten die Zunge heraus, rollten mit
den Augen und stampften auf den Boden.
Den Rest des Abends lieà sie sich von der Stimmung in der Kneipe
mitreiÃen. Sie jubelte und litt mit den All Blacks, die am Ende zum Glück gegen
ihre Gegner gewannen. Ein guter Anlass für eine rauschende Party. Es war spät
am Abend, als Matiu sie schlieÃlich zu ihrem Hostel zurückbrachte. Auf dem Weg
liefen sie schweigend nebeneinander. Matiu summte fröhlich ein eigentümliches
Lied vor sich hin. Es klang fremdartig. Katharina puffte ihm freundschaftlich
in die Seite. »Was ist das? Das Siegeslied der Maori?«
Er lachte. »Nein. Ein Lied meines Stammes, es geht ganz sicher nicht
ums Siegen. Einfach ein Lied, das mir in den Sinn kommt, wenn ich gute Laune
habe. Und heute habe ich ganz bestimmt gute Laune!« Er deutete auf das Haus,
vor dem sie standen. »Dein Hostel! Wir sind schon da!« Er umarmte sie
freundschaftlich. »Vergiss nicht, dass wir Ende nächster Woche in Matamata verabredet
sind! Ich freu mich drauf, dich dann wiederzusehen. Bis dahin viel Glück mit
deiner Suche nach diesem John!«
Matiu verabschiedete sich mit einem fröhlichen Winken und verschwand
um die nächste Ecke. Katharina sah ihm fast bedauernd hinterher. Irgendwie
schade, dass er sie nur umarmt hatte. Aber am nächsten Tag wollte sie ohnehin
weiter nach Auckland, und für einen kleinen Flirt hatte sie auf dieser Reise
nun wirklich zu wenig Zeit. So ermahnte sie sich streng â auch wenn sie
eigentlich selbst nicht daran glaubte. Dieser Matiu war schlieÃlich wirklich
nett ⦠Wenigstens hatte sie seine Telefonnummer, um mit ihm einen Treffpunkt
für nächste Woche zu vereinbaren.
Am nächsten Tag stieg sie in den Zug Richtung Auckland. Während er
sich durch die saftigen Wiesen in Richtung Lake Taupo schlängelte, überquerte
er einen breiten Fluss. Unbemerkt von Katharina stand an seinem Ufer eine
Gedenktafel, die an ein Unglück aus längst vergangenen Tagen erinnerte â¦
HAMBURG, SEPTEMBER 1953
7.
John fasste seinen Seesack
fester. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er die Bordwand des Frachters,
der hier im Hamburger Hafen fest am Kai vertäut lag. Es roch nach Teer,
salzigem Wasser, verrottenden Algen und mindestens einem Fisch, der schon zu
lange in der Sonne lag. Typisch für fast alle Häfen der Welt. Er sah die
dunkelrote Bordwand genauer an, auf der stand: Pacific Adventure, Christchurch.
Mit einem leisen Kopfschütteln wandte er sich ab und lief den Kai weiter
entlang. Nach seinen Erfahrungen auf dem langen Weg von Christchurch nach
Hamburg wollte er auf keinen Fall noch einmal auf einem Frachter seines Ziehvaters
anheuern. Er war froh, dass seine Rippen in den letzten Wochen wieder geheilt
waren und dass auch seine Nase nicht mehr schmerzte. Sie war jetzt zwar ein
bisschen schief, aber John hatte nach einer längeren Betrachtung im Spiegel
beschlossen, dass ihm das nur ein männlicheres Aussehen gab. Jetzt sah er
wenigstens nicht mehr wie ein kleiner Junge aus, der sich nicht wehren konnte.
Langsam ging er weiter den Kai entlang.
Das nächste Schiff war etwas kleiner als die Pacific Adventure â aber es sah
stabil und modern aus. Ein einziger Blick auf die Schornsteine und den
Schiffsbau verriet ihm auch, dass ein Dieselmotor diesen Frachter
vorwärtsbrachte. Das bedeutete, dass hier garantiert kein Dienst an den
Kohleöfen drohte. Die neuseeländische Flagge flatterte fröhlich über dem Heck,
darunter der Schriftzug mit dem Namen: Aotearoa, Auckland.
Das klang doch sehr viel besser als der Frondienst für seinen
Ziehvater. Entschlossen lief John die Gangway nach oben. Ein stämmiger Mann versperrte
ihm den Weg.
»Ich wollte nachfragen, ob ihr noch eine Stelle
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