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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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noch Platz neben
der nackten Leidenschaft, mit der sie sich liebten.
    Etwas später lagen sie erschöpft da, die Beine noch ineinander
verschlungen, während der Schweiß nur langsam auf ihrer Haut trocknete. Brandon
streichelte über Sinas Haar und hörte, wie ihr Atem tiefer und ruhiger wurde,
bis sie endlich einschlief. Er konnte noch lange keine Ruhe finden. Zu viele
Gedanken fuhren in seinem Kopf Karussell, zu viele Fragen, für die er endlich
eine Antwort finden musste.
    Als er am nächsten Morgen aufwachte, war Sina schon weg, nur noch
ein Abdruck auf dem Laken erinnerte an die letzte Nacht. Er lächelte versonnen,
als er aufstand und in die Dusche ging. Sie wollte heute mit Ava in die Klinik
– und er hatte offensichtlich den Aufbruch seiner beiden Frauen heute Morgen
komplett verschlafen. Am Spiegel im Badezimmer klebte ein Zettel. »Wollte dich
nicht wecken, du sahst so friedlich aus …«
    Er war dankbar für diesen Tag, den er freihatte. Entschlossen
rasierte er sich, zog eine leichte Hose und ein Polohemd an und machte sich auf
den Weg in den Stammsitz der Pacific Shipping Company – die Reederei seines
Großvaters, die inzwischen fast komplett von seinem Vater geleitet wurde und
für die er selbst als Kapitän der verschiedenen Supertanker auf dem Pazifik
fuhr. In der großen Eingangshalle der vertraute Anblick der Schiffsmodelle, ein
Winken zu dem alten Portier – und schon war Brandon im Aufzug nach oben
unterwegs. Als Erstes wollte er zu seinem Großvater.
    Er hatte ihn nur noch selten besucht, seit er ihm die Wahrheiten
über sein Leben, über Betrug und Gewalt an den Kopf geworfen hatte. Der alte
Mann war zwar immer auf der Hut, wenn er bei Familienfeiern auf Sina traf –
aber bis jetzt hatten sie ihn in Ruhe gelassen.
    Ohne sich die Mühe zu machen, bei ihm anzuklopfen oder sich
anzumelden, ging Brandon mit entschlossenen Schritten an der Sekretärin vorbei
und baute sich vor dem Schreibtisch von George Cavanagh auf. Er hielt sich auch
nicht lange mit Höflichkeitsfloskeln auf, dafür verbrachte er einfach zu ungern
Zeit mit dem Mann. Stattdessen steuerte er direkt auf sein Ziel los.
    Â»Wann hast du John das letzte Mal gesehen?«
    George sah seinen Enkel aus dunklen Augen lange an. Es war unmöglich
zu erkennen, was er wirklich dachte. »Warum willst du das wissen? Ich dachte,
du wolltest längst Vergangenes hinter dir lassen? So habe ich dein Schweigen in
den letzten Jahren gedeutet. Falsch?«
    Â»Nein. Richtig. Bis Ava krank geworden ist und ich jetzt alle
Verwandten, die sie hat, testen lassen muss, ob sie mögliche Knochenmarkspender
sind. Also auch John.« Brandon sah seinen Großvater fordernd an.
    Der wich dem Blick nicht aus, zuckte aber lässig mit den Schultern.
»Was das angeht, habe ich nichts zu verbergen. Der Bengel ist weggerannt, und
ich habe ihn nie mehr wiedergesehen. Ende der Geschichte.«
    Â»Wo ist dieser legendäre Container, der angeblich auf die Rückkehr
von John wartet?« Brandon wollte sich nicht so einfach abspeisen lassen.
    Â»Du sagst es. Eine Legende. Ich konnte Ewan doch nicht einfach so
sagen, dass ich nicht mit der Rückkehr seines geliebten großen Bruders rechnete.
Also habe ich die Geschichte einfach erfunden. Von vorn bis hinten. John hat
keine unaufgeräumte Wohnung zurückgelassen, er wohnte ja noch bei mir, als er
verschwand. Die Sachen aus seinem Zimmer sind allerdings in einen Container
gewandert. Einen Müllcontainer.« George Cavanagh schien die Überraschung im Gesicht
seines Enkels zu genießen. Brandon hatte offensichtlich nicht damit gerechnet,
einfach so die Wahrheit zu erfahren.
    Â»Und die Geschichte vom Säufer? Der immer an irgendeiner Theke
irgendeiner Hafenstadt hängt und sein Leben nicht auf die Reihe bekommt?« Jetzt
wollte Brandon es genau wissen.
    Â»Auch erfunden. Was sollte ich sagen? Ist verschwunden und
wahrscheinlich schon lange tot? Es erschien mir menschlicher, Ewan wenigstens
seine Hoffnung zu lassen – auch wenn ich mich später verflucht habe, dass ich
mir so eine dämliche Geschichte ausgedacht habe. Habe mehr als einmal überlegt,
ob ich nicht einen Tsunami oder eine üble Schlägerei mit tödlichem Ausgang für
meinen missratenen Ziehsohn herbeizaubern soll. Muss allerdings zugeben, dass
ich immer befürchtet habe, John könnte eines Tages auf der Matte stehen und
seinen Teil der

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