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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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gefragt – aber er hat immer nur gelächelt und gesagt, dass es ihm gut
gehe. Wenn ich mehr wissen wollte, hat er geschwiegen. Ein einziges Mal habe
ich einfach nicht nachgelassen, immer wieder gefragt – da ist er irgendwann
aufgestanden und gegangen. Bis zu seinem nächsten Besuch vergingen damals
mehrere Jahre …«
    Â»Und wann hast du ihn das letzte Mal gesehen?« Brandon konnte kaum
glauben, was ihm sein Vater da erzählte. Der geheimnisvolle Onkel war immer
wieder hier in Neuseeland – sogar hier in Christchurch – gewesen!
    Â»Das ist Jahre her. Als ich ihm erzählt habe, dass ich in die
Reederei einsteige und das Ganze irgendwann wohl komplett übernehmen werde, da
hat er zustimmend genickt. Wenig später hat er sich verabschiedet, mich fest in
den Arm genommen und mir irgendetwas zugeflüstert, dass ich jetzt auf eigenen
Füßen stehen würde … Dann ging er. Und tauchte nie wieder auf. Es ist nicht so,
dass ich nicht versucht hätte, ihn zu finden. Aber bei einer Sache bin ich mir
sicher: John wollte und will nicht gefunden werden. Und solange das so ist, so
lange werden wir auch nicht erfahren, wo er wirklich lebt.«
    Â»Du hast keine Möglichkeit, ihm eine Botschaft zukommen zu lassen?«
Brandon konnte nicht glauben, dass der Kontakt so einseitig gewesen war.
    Ewan machte ein nachdenkliches Gesicht. »Nein, nicht dass ich
wüsste. Merkwürdigerweise ist John allerdings immer dann bei mir aufgetaucht,
wenn es bei mir nicht gut lief oder ich irgendein Problem hatte. So, als ob er
einen Spion in meiner Nähe hätte. Ich bin allerdings nie dahintergekommen, wie
das funktionieren konnte. Und vielleicht habe ich mir das alles auch nur
eingebildet.«
    Brandon erkannte, dass sein Vater nicht mehr wusste. Sie plauderten
noch ein wenig über die Folgen des großen Erdbebens in Christchurch, waren sich
einig, dass die Einwohner der Stadt ihre Heimat schnell wieder aufbauen würden.
Auch Brandons kleine Schwester Caithleen war daran beteiligt: Sie hatte sich
einem Freiwilligentrupp zur Rettung der Kathedrale angeschlossen. Sie
schleppten jeden Tag Steine und versuchten, wenigstens einen Teil der alten
schwarz-weißen Fassade wiederherzustellen. Schließlich verabschiedete Brandon
sich von seinem Vater. Er warf noch einen letzten Blick auf die Karte, die
anzeigte, wo welches Schiff der Reederei sich gerade befand. Er deutete auf das
Symbol für die Adventure, mit der er im Moment immer unterwegs war. »Wann soll
sie wieder auslaufen?«
    Â»Bald«, erklärte sein Vater. »Wenn du Zeit brauchst, um dich um Ava
und Sina zu kümmern, gib Bescheid. Dann müssen wir einen anderen Kapitän als
Ersatz für dich anheuern.«
    Daran hatte Brandon bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gedacht. Noch
ein Problem mehr auf seiner Liste … Er seufzte. »Dann fängst du am besten jetzt
schon mit der Suche an. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die beiden mich so
schnell entbehren können … Und ich kann im Moment wirklich nicht einfach auf
große Fahrt gehen.«
    Nachdem er in den Fahrstuhl eingestiegen war, der ihn zurück in die
Eingangshalle befördern sollte, lehnte er sich an die verspiegelte Wand und
schloss die Augen. Die Gespräche mit den beiden Männern hatten ihn nur wenig
weitergebracht. Die Tatsache, dass John wohl doch kein Säufer war, war ihm
klar, seitdem er ihn gesehen hatte. Aber wo konnte er nur stecken? »Warum nur
werde ich das Gefühl nicht los, dass er nicht weit von hier entfernt lebt?«,
murmelte er immer wieder. Sein Spiegelbild im Neonlicht gab ihm keine Antwort.
    Genau diesen Satz sagte er auch zu Katharina, als sie später am Tag
miteinander telefonierten.
    Â»Intuition – oder doch nur Wunschdenken?«, schlug sie vor. »Was auch
immer es ist, es hilft uns nicht weiter. Ich werde einfach weiterhin meine Augen
offen halten und jeden, den ich sehe, nach diesem John Cavanagh fragen. Du
kannst dir sicher sein, dass ich mich melde, sobald ich auch nur das Geringste
von ihm höre. Und sei es auch nur ein obskures Gerücht …«
    Sie legte auf, schlüpfte in ihre Flip-Flops und machte sich noch
einmal auf den Weg, um Auckland zu besichtigen. Heute stand die prachtvoll restaurierte
Queen Street mit ihren vielen teuren Läden und Cafés auf ihrem Programm. Leise
vor sich hin summend lief sie über den Aotea Square und suchte nach einem
schönen

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