Der Gesang der Maori
sie nie infrage gestellt. Als John dann bei Ruihas Beerdigung auftauchte,
war ich genauso überrascht wie alle anderen auch: Woher wusste er von der
Beerdigung, und was machte er wirklich? Er sah ganz sicher nicht nach einem
Säufer in einem Hafen irgendwo auf Vanuatu, Fidji oder den Salomonen aus. Aber
dann war so ein Trubel auf dieser Beerdigung, dass keiner gemerkt hat, wie er
wieder gegangen ist. Und du weiÃt ja: Sina und ich haben beschlossen, die
Vergangenheit endlich zu begraben.«
»Dann solltest du sie jetzt wieder ausbuddeln«, erklärte Katharina
in einem Ton, der keinen Widerspruch zulieÃ. »Geh zu deinem GroÃvater und deinem
Vater. Ich habe das Gefühl, einer von beiden weià mehr, als er zugeben will!
Und ich brauche irgendeinen Anhaltspunkt, damit ich mit meiner Suche
weiterkomme.«
»Mache ich«, nickte Brandon. »Wie kann ich dich erreichen, wenn ich
etwas herausgefunden habe?«
»Ich bin im Seaview Hotel in Auckland, du kannst mir beim Empfang
sicher eine Nachricht hinterlassen«, meinte Katharina. »Und lass dir nicht zu
viel Zeit, in Ordnung?«
»Keine Sorge, ich gehe morgen Vormittag gleich zu den beiden in der
Reederei. Ich rufe dich dann sofort an. Ich denke, auch dort sollten allmählich
die Aufräumarbeiten nach dem Erdbeben beendet sein.«
»Wie geht es denn bei euch voran?«, wollte Katharina noch wissen.
Brandon lieà seinen Blick durch das Zimmer wandern. Bis auf ein paar
Bilder, die noch auf einen neuen Rahmen warteten, und ein paar fehlende Vasen
sah alles wieder normal aus. Er zuckte mit den Achseln â noch so eine
telefonuntaugliche Geste. »Bei uns im Haus und im Garten geht es wieder, der
Supermarkt um die Ecke hat wieder seine Kühltheke. Auf den StraÃen sieht es
noch ziemlich wild aus, und in manchen Ecken der Stadt reiÃen sie jetzt die
Häuser ein, die zu stark beschädigt sind. Wir können nur hoffen, dass wir nicht
so schnell ein weiteres Beben haben â¦Â«
»Ich drück euch die Daumen«, versprach Katharina, bevor sie sich
verabschiedete. Sie sah noch einen Augenblick lang sinnend den Telefonhörer in
ihrer Hand an. Das Leben ihrer besten Freundin war in jeder Beziehung total auf
den Kopf gestellt â aber um den besonnenen Brandon war sie wirklich zu
beneiden.
Der ging wieder zurück ins Schlafzimmer. In der Tür blieb er einen
Augenblick stehen, ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Sina lag
auf der Seite, die blonden Haare wirr ins Gesicht hängend und den Mund halb
offen. Sie sah entspannt aus, im Schlaf waren die Sorgenfalten verschwunden,
die sich in den letzten Wochen tief in ihrem Gesicht eingegraben hatten.
Brandon setzte sich auf die Bettkante und streichelte ihr langsam die Haare aus
dem Gesicht. Sie wachte nicht einmal richtig auf, seufzte nur leise und zog ihn
in ihre Arme. »Komm, Schatz«, wisperte sie leise. »Ich muss mal wieder ein
bisschen Leben spüren.«
So müde Brandon auch war â er beugte sich zärtlich über seine Frau
und nahm sie in seine Arme. Während er sie küsste, schob er langsam mit einer
Hand ihr weites T-Shirt nach oben. Wie immer musste er
dabei lächeln â sie schlief einfach jede Nacht in einem seiner weiten T-Shirts, so als ob sie nichts Eigenes besitzen würde. »Ich
fühle mich dir so näher!«, erklärte sie immer mit einem trotzigen Unterton,
wenn er sie darauf ansprach. Jetzt zog er ihr den Baumwollstoff einfach über
den Kopf und streichelte ihr weiter über die weichen Brüste. Sie drängte sich
enger an ihn und gab kleine verschlafene Laute von sich. Fast wie nebenbei
küsste sie ihn. Erst auf den Hals, dann auf den Mund, dann länger und
fordernder. Er spürte, wie sie ihm ihr Becken entgegenschob. Eine Aufforderung,
der er nur zu gerne nachkam. Er küsste sie lange und zärtlich, während er behutsam
in sie eindrang. Mit einer Vertrautheit, die nur in Jahren des Zusammenlebens
entstehen konnte, glichen sich ihre Körper im Rhythmus allmählich an. Brandon
spürte, dass Sina endgültig erwachte, als ihre schläfrig-ruhigen Atemzüge
schneller wurden. Die Küsse wurden immer fordernder, bis sie Brandon endlich
mit einer schnellen Bewegung auf den Rücken drehte und dann selbst das Tempo
bestimmte. Für ein paar Minuten gab es für die beiden nur sie selbst und das
Universum, kein Gedanke an Krankheit und Katastrophen hatte
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