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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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eigenverantwortlich
bestimmte Bereiche unter seinen Fittichen hatte – und in dieser Zeit hatte sich
in Johns Leben einfach alles zum Guten gewandt. Er liebte die Arbeit in dieser
Firma, die große Mengen Obst nach Übersee verfrachtete. Und er mochte das
Gefühl, für den Kontakt von Neuseeland zur Außenwelt zuständig zu sein. Dazu
kam, dass er hier immer wieder einbringen konnte, was er in der Reederei seines
Ziehvaters gelernt hatte, ehe er ihr für immer den Rücken zuwandte. Jason war
zwar hin und wieder überrascht von Johns Wissen, über das er als einfacher
Hilfsarbeiter verfügte – aber er stellte keine Fragen und hatte so niemals
herausgefunden, wer sich eigentlich wirklich hinter John Erhardt verbarg. Schon
nach wenigen Monaten hatte Jason Turner John zu seiner rechten Hand gemacht.
    John bewies seine Dankbarkeit mit unzähligen Überstunden, die er in
dem kleinen Haus am Pier ableistete. Wenn noch spätabends eine Lieferung
erwartet wurde, dann war immer er derjenige, der sich freiwillig meldete, um
das Löschen der Ladung zu überwachen. Bis heute lebte er in seinem kleinen
Zimmer aus den Milkbar-Tagen – er sah einfach keine Notwendigkeit, sich eine bessere
Bleibe zu suchen. »Ich bin sowieso immer am liebsten in der Firma!«, erklärte
er seinen Kollegen, die etwas überrascht waren, wenn sie von seiner Unterkunft
erfuhren. Und von Frauen hielt er sich fern. Das Erlebnis mit Maureen war ihm
als eine schreckliche Erfahrung in Erinnerung geblieben; zudem plagten ihn
heftige Schuldgefühle, wenn er an seinen Zustand in jener Nacht und am Morgen
danach dachte. So etwas wollte er wirklich nicht wiederholen.
    Hin und wieder träumte er nachts allerdings von einem Maori-Mädchen,
das mit einem viel zu großen Flanellhemd vor ihm stand und ein Lied aus einer
anderen, besseren Welt sang. Dann konnte er sie fast vor sich sehen mit ihren
langen, schwarzen Locken und den Augen, die wie Kohlestücke schimmerten. Wenn
John dann allerdings aufwachte, stürzte er sich wieder in seine Arbeit. Das Mädchen
seiner Träume war wahrscheinlich einfach zu gut für ihn. Oder schon vergeben.
Vielleicht beides. Sehr selten erlaubte er sich die Frage, wo dieses Mädchen
wohl wohnte. Oder was passieren würde, wenn er sie jemals wiedersehen sollte.
    Aber jetzt war sein Problem erst einmal klein, braun und pelzig. Er
nahm eine zweite Frucht und drückte mit dem Daumen leicht darauf. Sie gab nach.
John seufzte. Das Ding hatte nicht nur einen extrem merkwürdigen Namen, sondern
war auch noch empfindlich. Mit einer flachen Packkiste machte er sich an die
Arbeit – es musste schließlich einen Weg geben, wie man dieses Ding ohne Verluste
über das Meer transportieren konnte.
    Am Ende des Tages hatte er ein halbes Dutzend von den Früchten
gegessen, eine Lösung für den Transport gefunden – und konnte sich immer noch
nicht vorstellen, dass man irgendwo in der freien Welt so etwas wie Yang Tao
freiwillig essen würde. Er leckte sich noch einmal über die Lippen. Womit ließ
sich dieser Geschmack nur vergleichen? Melonen vielleicht?
    Mit einem Achselzucken ging er den kurzen Weg zurück in das kleine Bürogebäude
am Pier. Jason sah nur kurz auf, als er hereinkam. »Na, was treibt dich noch
her?«
    Mit einer entschuldigenden Geste ließ John sich auf einen Stuhl
fallen. »Ich wollte noch ein paar Sachen überprüfen …«
    Â»Willst du nicht nach Hause gehen? Seitdem du mir hier ins Büro
geschneit bist und ich dich angestellt habe, machst du keinen Urlaub, gönnst
dir keine Pause und machst ständig Überstunden. So gut ich das als Chef finde –
du machst dich auf Dauer kaputt, wenn du weiter so arbeitest. Geh aus, hab Spaß,
Auckland ist voller Mädchen, die gerne einen Kerl wie dich kennenlernen würden.
Und am Wochenende ist Johnny Devlin in der Stadt. Echter Rock’n’Roll, gemacht
von einem echten Kiwi – das ist doch phantastisch. Willst du da nicht
hingehen?« Jason schien wirklich besorgt.
    Kopfschüttelnd setzte John sich hinter seinen Schreibtisch. »Mach
dir keine Sorgen um mich. Ich hatte genug Rock’n’Roll für ein ganzes Leben,
kannst du mir glauben. Sollen andere hinter Johnny Devlin herlaufen und ihn
bejubeln …«
    Die letzten Jahre hatte John sich von der Szene ferngehalten. Er
wollte nicht erkannt werden, wollte niemanden treffen,

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